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Stressmanagement: So hilfst du deinen Kunden

Stressmanagement: So hilfst du deinen Kunden

Mit dem Begriff „Stress“ verbinden wir meist nur Negatives. Der Begründer der Stressforschung, Hans Selye, hingegen bezeichnete ihn als „die Würze des Lebens“ – zumindest seine positive Ausformung, den sogenannten Eustress. Wie ihr eure Kunden zu einem besseren Umgang mit Stress coachen könnt, verrät Dr. Moritz Tellmann.

Unter Stress wird eine sehr schnelle Anpassungsmöglichkeit des Körpers an Gefahrensituationen verstanden, die das Überleben sichern soll. Es wird Energie bereitgestellt, um eine richtige Reaktion zu ermöglichen: „fight or flight“, Kampf oder Flucht. Blitzschnell wird der Sympathikus aktiviert, das Nebennierenmark setzt Noradrenalin und Adrenalin frei und der Cortisolspiegel steigt sprunghaft an. Es kommt zu den typischen körperlichen Veränderungen: Herzfrequenz, Atemfrequenz, Blutdruck und der Blutzuckerspiegel steigen an, Wachheit, Konzentration und Gedächtnisleistungen werden gesteigert bei gleichzeitiger Reduktion der Erholungsfunktionen. Kurzzeitig dienen all diese Veränderungen der Abwehr von Gefahren sowie der Optimierung der allgemeinen Leistungsfähigkeit. Kommt es jedoch aufgrund eines fehlenden Abklingens der Stressoren nicht zur Rekonvaleszenz dieser Veränderungen, so kommen wir schnell an einen Punkt der Erschöpfung mit fehlender Möglichkeit der Erholung.

Stress wirkt individuell unterschiedlich

Es ist pauschal kaum vorherzusehen, wie viel Stress bei welchem Individuum wie lange und wie intensiv negative Konsequenzen hervorrufen kann. Hier kommt der Begriff der „Resilienz“ ins Spiel: Es gibt Menschen, die scheinbar selbst unter einer dauernden körperlichen und/oder mentalen Anforderung Höchstleistungen vollbringen können und kein Gefühl einer Erschöpfung erleben oder aufweisen.



Resilienz wird definiert als innere Widerstandsfähigkeit gegen potenziell krankmachende Anforderungen oder Situationen. Es gibt eine primäre, angeborene Resilienz, die den einen Menschen deutlich unempfindlicher macht als den anderen. Die genauen Mechanismen dahinter sind nicht gänzlich geklärt. Glücklicherweise, und das sollte jeder Personal Trainer und Coach wissen, gibt es auch eine sekundäre, erworbene (oder eben erwerbbare) Resilienz. Der Mensch kann lernen, mit verschiedenen Mitteln Stress, aus welchem Grund auch immer er entstanden ist, entgegenzuwirken und ihn gar zu „managen“.

Die Resilienz gegen Stress optimieren

Die breite Palette des Stressmanagements beginnt bei einfachen Atemübungen und reicht bis hin zu verhaltenstherapeutischer Begleitung. Vorweg eines: Eine medikamentöse Stresstherapie halte ich für obsolet und nur in absoluten Ausnahmefällen gerechtfertigt, da sie nahezu immer nur ein Maskieren körperlicher Symptome darstellt und den Stressauslöser fast nie beseitigt.
Zu Beginn einer jeden Optimierung der Resilienz gegen Stress gehört für mich eine gründliche Evaluation des aktuellen Stresslevels und der möglichen körperlichen Symptome meines Kunden.

Hierzu bieten sich folgende Fragen an, die ich im PT regelmäßig nutze, um einen raschen Überblick über das Stresslevel zu bekommen:

  • Fühlst du dich im Alltag häufig überfordert und glaubst, gestellte Aufgaben nicht zufriedenstellend lösen zu können?
  • Welche körperlichen/mentalen Veränderungen spürst du bei akutem Stress? Herzrasen/Herzklopfen, Verdauungsstörungen, innere Unruhe, starkes Schwitzen, Erröten?
  • Nutzt du aktiv Maßnahmen gegen akuten Stress wie Autogenes Training, Bewegung oder Meditation?
  • Schläfst du gut? Grübelst du abends über Probleme des heutigen oder morgigen Tages? Dauert das Einschlafen länger als 10 bis 15 Minuten?
  • Spürst du einen körperlichen oder geistigen Abfall der Leistungsfähigkeit, wenn du gestresst bist?
  • Wie steht es um deine Libido und die sexuelle Appetenz? (Diese Frage sollte aus Diskretionsgründen erst nach der Etablierung eines gewissen Vertrauensverhältnisses gestellt werden.)

Mit diesem kleinen Fragenkatalog verschaffst du dir rasch einen Überblick über das Stressniveau deines Klienten und kannst einschätzen, ob du einen eher stressempfindlichen oder stressressistenten Kunden vor dir hast. Wenn du dich als Trainer oder Coach genauer mit der Stressevaluation beschäftigen möchtest, bieten sich auch etablierte Stress Scores, wie z.B. der TICS (Trierer Inventar zum chronischen Stress), an, die jedoch eine gewisse Zeitdauer und intensive Beschäftigung mit dem Gegenüber erfordern.

Kurzanamnese vor jeder Trainingseinheit

Stressmanagement Trainer Magazin Bild 1

Foto: VasilikovS/Shtutterstock.com

Da sich eine zu hohe Stressbelastung auch stark auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken kann, empfehle ich nicht nur eine gründliche Stress-Erstanamnese, sondern auch eine regelmäßige Kurzanamnese zu Beginn jeder Einheit. Prüfe dabei, ob dein Kunde heute oder in den letzten Tagen akut Stress verarbeitet hat und dadurch in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein kann. Selbstverständlich kann „Eustress“, also positiver Stress, mit einer erhöhten Leistungsfähigkeit einhergehen.

Sollten dir dabei deutliche Anzeichen einer Erschöpfung bei deinem Kunden auffallen, so solltest du ihm unbedingt eine weitere Abklärung z.B. durch einen Mediziner oder erfahrenen Experten empfehlen. Neben einer gründlichen körperlichen Untersuchung können dann gegebenenfalls auch weitere Marker eines Stresssyndroms (z.B. erhöhter Blutzucker/Blutdruck oder eine erhöhte Cortisolkonzentration) erfasst werden. Körperliche Symptome sollten immer schon vor Beginn eines Vertrages geklärt werden, damit es nicht zu einer möglichen Überlastung oder sogar Verletzung kommt, die am Ende zu Ansprüchen gegenüber dem PT führt. Dies kann im Rahmen einer üblichen Anamnese erfolgen, die den Faktor Stress zusätzlich erfasst.

Konkrete Maßnahmen

Bei mir hat sich folgende Reihenfolge beim Coaching von Klienten bewährt:

Thematisieren

Das Thema „Stress“ sollte zunächst in einer eigener Sitzung thematisiert werden. Erläutere dabei deinem Kunden kurz und knapp, was Stress und Resilienz bedeuten, um sein Bewusstsein für diesen eigentlich völlig normalen Zustand zu schärfen. Plane dabei ausreichend Zeit für Fragen seitens deines Klienten ein.

Optimieren

Die Optimierung beruht auf theoretischen und praktischen Maßnahmen bezüglich des Umgangs mit Stress. Beginne mit kleinen Tipps für den Alltag (Atemübungen, Übungen zur progressiven Muskelrelaxation oder kleinen meditativen Übungen), die der Kunde schnell und einfach in den Alltag integrieren kann. Im zweiten Schritt bauen deine Trainingseinheiten auf Übungen und Maßnahmen auf, die direkt als „Stress Reliever“ dienen können. Hier bieten sich z.B. gemeinsame Atemübungen an, aber auch Massage oder eine positive, motivierende Gesprächsführung mit ausreichender Thematisierung der Stressoren des Kunden im Alltag. Wenngleich eine Trainingsstunde keinen verhaltenstherapeutischen Charakter haben sollte, so sollte dennoch trotz körperlicher Betätigung der Umgang mit Stress praktisch und theoretisch bearbeitet werden. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass oft schon 10–15 Minuten Stressarbeit zu einer spürbaren Entspannung des Kunden führen können. Natürlich gehört das professionelle „Stress Coping“ in die Hände eines Fachmanns, aber dennoch sollte ein guter und ganzheitlich arbeitender PT einen ersten Grundstein für den Umgang mit Stress legen.

Reflektieren

Die Reflexion dient dem Klienten dazu, sich über den erlebten Stress im Klaren zu sein, diesen als solchen zu erkennen und ihn zu bewerten. Hierzu gehören sicherlich auch Maßnahmen des Biofeedbacks, wobei der Klient in der Lage ist, körperliche Signale oder mentale Befindlichkeiten zu erkennen und in den Kontext seines Stresserlebens einzuordnen. Hier gilt das Credo: „Ich sehe nur das, was ich kenne.“ Kennt der Kunde seinen Körper und die Vorgänge/Anpassungen bei Stress, so kann er diese miteinander assoziieren und entsprechende Maßnahmen zur Bewältigung einleiten.

Re-Evaluieren

Durch erneutes Testen und „Scoren“ kann nach definierten Zeiträumen eine Verbesserung im Umgang mit Stress erfasst werden oder bei fehlender dazugewonnener Resilienz eine erneute Optimierung erfolgen. Ein geeigneter Zeitraum scheint mir 6–8 Wochen zu sein, da hier sowohl seelisch-mentale als auch körperliche Veränderungen gut erfasst werden können. Es sollte den Optimierungen ein ausreichender Zeitraum geboten werden, genauso wie es entsprechende Trainingsmethoden in der Trainingsplanung erfordern.

Stress behindert Fortschritte beim Training

Stress in im Privat- oder Berufsleben wirkt sich negativ auf die Leistungen im Training aus. Foto: Blackday 9/Shtutterstock.com

Stress in im Privat- oder Berufsleben wirkt sich negativ auf die Leistungen im Training aus. Foto: Blackday 9/Shtutterstock.com

Zuletzt sollte noch erwähnt werden, dass Stress bei deinem Kunden Fortschritte beim Training verhindern bzw. sogar zu Rückschritten führen kann. Dies fußt vor allem auf dem Wissen um die fehlende körperliche und psychische Erholungsfähigkeit bei chronischem Stress. Hier kann ein zu intensives Training oder eine zu hohe Dichte an Einheiten zu Kraftverlust, erhöhter Ermüdbarkeit und depressiver Stimmungslage führen, da sich trotz Trainings und des finanziellen Invests kein Fortschritt einstellt.

Jeder PT, der den Wunsch hat, seinen Kunden zum Erfolg zu führen, sollte sich Gedanken über die Intensität des Stresslevels bei seinem Kunden machen. Gerade weil viele Kunden auch den Stressabbau als Kaufmotivation für PT-Einheiten sehen, sollte man als PT hier aktive Arbeit leisten und sich dieser spannenden Materie zumindest grundlegend annehmen, um nicht wertvolle Faktoren zu einer nachhaltigen Betreuung und Begleitung des Kunden zu übersehen.

Zufriedenere und gesündere Klienten

Was am Ende bleibt, ist nicht nur ein sehr zufriedener, vielleicht sogar gesünderer Klient, sondern vor allem auch eines: ein weiterer wichtiger persönlicher Baustein auf dem Weg zu einem klugen und weitsichtigen PT. Zudem ist das Wissen um die Existenz und den Umgang auch mit eigenem Stress auch für den PT ein gesundheitlicher Mehrwert. Wer gestresst in die Einheit geht, weiß genau, Stress ist ansteckend – und daher in der hochbezahlten Dienstleistung PT de facto absolut fehl am Platz.

Tipps für Trainer

Gerade im Dienstleistungssektor leiden viele Mitarbeiter unter Negativ- bzw. Distress.Daher möchte ich hier ein paar persönliche Tipps für den Umgang mit Stress und seinen möglichen Konsequenzen aufzeigen.

  • Mache dir immer wieder klar, dass du manchen Stressor nicht beeinflussen kannst (Termindruck, strukturell-organisatorische Gegebenheiten oder einfach der „nervige“ Kollege). Wer nicht alles persönlich nimmt und eine gesunde Distanz beibehält, leitdet weniger unter Stress.
  • Versuche, in Zukunft anstelle von Anspannung immer einmal wieder mit Entspannung zu reagieren. Einer der natürlichsten Reflexe gegen Stress, den viele verlernt haben, ist das bewusste Ausatmen. Dieses kann den Muskeltonus und sogar Herzfrequenz und Atemminutenvolumen senken, wenn wir es bewusst tun.
  • Baue Stress so schnell es geht ab. Stress kann akkumulieren. Deshalb gilt für mich: Habe ich akut Stress, öffne ich sobald wie möglich das Ventil. Idealerweise bieten sich hier ganz kurze Sport-oder Entspannungseinheiten an. Es reichen schon 2-5 Minuten, um Körper und Geist wieder herunterzufahren.

Literaturtipps

  • J. Beckmann: Stress- und Schmerzursachen verstehen: Gesundheitspsychologie und -soziologie in Prävention und Rehabilitation. Georg Thieme Verlag, 2009
  • E. Crisand, U. Lyon, G. Schinagl: Anti-Stress-Training. Deutscher Fachverlag GmbH, 2009
  • A. Wagner-Link: Verhaltenstraining zur Stressbewältigung. Arbeitsbuch für Therapeuten und Trainer. Klett-Cotta, 2010
  • M. Gruhl: Resilienz – die Strategie der Stehauf-Menschen: Krisen meistern mit innerer Widerstandskraft. Kreuz Verlag, 2014

Geschrieben von
Dr. Moritz Tellmann | Der promovierte Humanmediziner mit Schwerpunkt Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin arbeitet zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Arzt als Personal Trainer, Autor sowie Ausbilder und Dozent an der IST-Hochschule. Er ist leidenschaftlicher Kraftsportler und Marathonläufer.

 

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