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Weak Links aufspüren und korrigieren

Weak Links aufspüren und korrigieren

Screening und Corrective Exercises an Schlingen

Meist wird der Schlingentrainer als reines Trainingsgerät betrachtet. Zusammen mit einer standardisierten Beurteilung funktioneller Bewegungsmuster bietet er aber auch die Möglichkeit, Weak Links aufzuspüren und direkt zu korrigieren.

Unter einem Weak Link versteht man ein Defizit in einer biomechanischen Kette, das eine muskuloskelettale Dysfunktion hervorruft. Die Ursache des Defizits wird zurückgeführt auf das osteoligamentäre Subsystem, das muskuläre Subsystem oder das neurale Subsystem oder auf Wechselwirkungen zwischen den Subsystemen.

Ganzkörperscreening und kinetische Kettentestung

Das hier in Auszügen dargestellte standardisierte Screeningverfahren wurde in der Redcord Clinic in Oslo entwickelt, deren Behandlungs- und Trainingskonzept fast ausschließlich auf den Schlingen beruht.
Der kinetischen Kettentestung in den Schlingen ist ein Ganzkörperscreening vorgeschaltet, das aus zehn Bewegungsmustern besteht – angefangen bei zervikalen Bewegungen bis hin zum Overhead Squat. Dieses Screening dient als Startpunkt für Kunden und Trainer. Es kann als standardisiertes Werkzeug angesehen werden, um funktionelle Bewegungsmuster zu beurteilen. Im späteren Verlauf dient es auch zur Überwachung des Trainingsfortschritts und zur Neubeurteilung.
Exemplarisch betrachten wir uns dazu die zervikale Flexion (Beugefähigkeit der Halswirbelsäule) als eines der zehn zu prüfenden Bewegungsmuster, die der kinetischen Kettentestung an den Schlingen vorausgeht.

Screening am Beispiel der zervikalen Flexion

Ausgangsposition: Der Kunde nimmt einen hüftbreiten, aufrechten Stand ein. Die Fußspitzen zeigen gerade nach vorn.

Durchführung Screening: Der Kunde wird aufgefordert, sein Kinn in Richtung des Brustbeins zu führen.

Beurteilung Screening: Das Bewegungsmuster kann als funktionell eingestuft werden, wenn mit dem Kinn das Brustbein berührt werden kann.

Wird das Bewegungsmuster als nicht funktionell eingestuft (das Kinn kann nicht zum Brustbein geführt werden, es treten kompensatorische Bewegungen auf oder die Bewegung ist mit Schmerz verbunden), muss das Bewegungsmuster anschließend detaillierter untersucht werden. Im Folgenden wird überprüft, welche Einflüsse sich positiv auf die Bewegungsausführung auswirken. Auf ein nicht korrekt ausgeführtes Bewegungsmuster folgen somit fünf standardisierte weiterführende Screenings, bei denen u.a. der Einfluss einer Aktivierung einer myofaszialen Leitbahn auf die Bewegungsqualität überprüft wird.

Weiterführende Screenings infolge eines nicht korrekt ausgeführten Bewegungsmusters

Bei den folgenden fünf Sceenings nimmt der Kunde immer zunächst die unter „Durchführung“ beschriebene Position ein. In dieser wird dann das Bewegungsmuster, das Kinn in Richtung des Brustbeins zu führen, wiederholt.

Abdominal Brace

Aktivierung einer Tiefenstabilisierung Durchführung: Der Trainer positioniert sich hinter dem Kunden und erzeugt mit seiner flachen Hand einen Druck auf den Bauchraum.

Intention des Tests: Kann eine Aktivierung der Tiefenstabilisierung das Bewegungsmuster positiv beeinflussen?

Ball Squeeze

Aktivierung der tiefen Frontallinie

Durchführung: Der Kunde klemmt sich einen Ball zwischen die Knie und wird aufgefordert, diesen zusammenzupressen.

Intention des Tests: Kann eine Aktivierung der tiefen Frontallinie das Bewegungsmuster positiv beeinflussen?

Calf Raise

Aktivierung der oberflächlichen Rückenlinie

Durchführung: Der Kunde kommt auf die Fußspitzen. Intention des Tests: Kann eine Aktivierung der oberflächlichen Rückenlinie das Bewegungsmuster positiv beeinflussen?

Hip Abduction Resistance

Aktivierung der Laterallinie

Durchführung: Der Trainer gibt dem Kunden manuellen Widerstand gegen die Oberschenkelaußenseite. Dieser wird aufgefordert, aktiv Druck nach außen gegen die Hände aufzubauen.

Intention des Tests: Kann eine Aktivierung der Laterallinie das Bewegungsmuster positiv beeinflussen?

Upper Trap Support

„Ausschalten“ der oberen Trapezmuskulatur

Durchführung: Der Trainer positioniert sich hinter dem Kunden, sodass er dessen Unterarme von unten greifen kann. Der Kunde wird aufgefordert, die Schulterpartie locker zu lassen. Der Trainer schiebt nun die lockere Schulterpartie nach oben.

Intention des Tests: Kann ein „Ausschalten“ der oberen Trapezmuskulatur das Bewegungsmuster positiv beeinflussen?

Testung der kinetischen Ketten in den Schlingen

Mit den Erkenntnissen aus dem komplett durchgeführten Screening aller zehn standardisierten Bewegungsmuster geht es in die kinetische Kettentestung an den Schlingen.
Der Test besteht insgesamt aus acht Übungen, wobei fünf Übungen den Lenden-Becken-Bereich und drei Übungen den Oberkörper betreffen. Ziel der kinetischen Kettentestung an den Schlingen ist es, Dysbalancen und Dysfunktionen (Weak Links) in den biomechanischen Ketten zu er- kennen. Bei der kinetischen Kettentestung handelt es sich immer um multisegmentale Bewegungen mit eingeschlossener Core Control. Um letztendlich eine qualitative Aus- sage treffen zu können, ist jeder der acht Tests in drei Level unterteilt.
Exemplarisch wird hier die kinetische Kettentestung am „Supine Plank“ und am „Abducting Plank“ dargestellt. Mit dem „Supine Plank“ kann die dorsale myofasziale Ket- te und mit dem „Abducting Plank“ die laterale myofasziale Kette qualitativ beurteilt werden.

Testung in verschiedenen Levels

In jedem Level wird überprüft, ob die Fähigkeit besteht, die korrekte Position einzunehmen und zu halten. Dabei muss die Bewegungsqualität stimmen; es dürfen keine kompensatorischen Bewegungen vorliegen und die Übung muss schmerzfrei ablaufen. Nur wenn all diese Kriterien erfüllt sind, kann dieses Level als bestanden angesehen werden
– und auch nur dann wird das nächste Level überprüft.

Aus der kinetischen Kettentestung direkt in die Corrective Exercise

Das Alleinstellungsmerkmal dieser kinetischen Testung ist, dass aus dem Testsetting direkt in die Corrective Exercise übergegangen werden kann. Das Training beginnt immer in dem Level, das der Kunde nicht mehr korrekt aus- führen konnte. Zum Training wird die Übung durch den Einsatz von Expandern erleichtert (siehe Beispiele), sodass die Übung korrekt ausgeführt werden kann, jedoch immer noch fordernd ist. Durch den Einsatz von Expandern kann das Körpergewicht stufenlos reduziert werden, sodass die Trainingsintensität sehr präzise angepasst werden kann. Neben dem Einsatz von Expandern können auch andere Prinzipien angewandt werden, um eine Regression der Testübung zu erhalten, wie z.B. das Anpassen des Hebelarms oder die Verlagerung der Ausgangsposition vom neutralen Punkt.

Kontrolle des Trainingsfortschritts

Der Trainingsfortschritt kann immer wieder kontrolliert werden, indem zum eingangs beschriebenen Screening der Bewegungsmuster zurückgekehrt wird. Dazu ein Bei- spiel: Gehen wir davon aus, dass der Kunde die zervikale Flexion nicht korrekt ausführen kann. Durch den manuellen Widerstand gegen die Oberschenkelaußenseite (Hip Abduction Resistance) verbessert sich jedoch die Bewegungsausführung. Dies lässt vermuten, dass eine Schwach- stelle in der Laterallinie vorliegt. Wird diese Vermutung auch in der kinetischen Kettentestung beim Ausführen des Abduction Plank bestätigt, indem der Kunde eventuell bereits das Level 1 nicht korrekt ausführen kann, so kann davon ausgegangen werden, dass hier ein Weak Link in der Laterallinie vorliegt. Der Trainer führt nun mit dem Kun- den die Corrective Exercise beispielsweise unter dem Einsatz von Expandern im Level 1 aus. Eine Erfolgskontrolle kann dann im späteren Verlauf, aber auch direkt nach dem Training durch ein nochmaliges Testen der zervikalen Flexion durchgeführt werden. Kann nun die Bewegung korrekt ausgeführt werden, war die Corrective Exercise erfolgreich.

Marcel Doll | Der Fitnessökonom (B. A.) und Master in Gesundheitsmanagement und Prävention ist Mitbegründer von YOU Personal Training in Offenburg und dort als Personal Trainer tätig. Seine Erfahrungen im Schlingentraining gibt er in Ausbildungen für Redcord Deutschland weiter.

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