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Aminosäuren

Aminosäuren

Aminosäuren

Grundbausteine aller Proteine

Als Bausteine der Proteine sind Aminosäuren u. a. in Muskeln, Organsystemen und Bändern enthalten. Stoffwechsel und Immunsystem würden ohne sie nicht funktionieren. Dr. Claudia Schroeder und Dr. Hendrik Borucki erklären, worauf es bei der Versorgung ankommt.

Aminosäuren sind die Bausteine der Proteine. Sie bestehen alle aus einer Aminogruppe, einer Carboxygruppe, einem Wasserstoffatom und einem variablen Rest. Je nach Rest lassen sich die Aminosäuren bspw. in aliphatische, aromatische, saure, basische und hydroxylierte Aminosäuren unterscheiden. Alle proteinbildenden (proteinogenen) Aminosäuren sind L-Aminosäuren.

DIE WICHTIGSTEN AMINOSÄUREN

Es gibt essentielle, semi-essentielle und nicht essentielle Aminosäuren. Essentielle Aminosäuren kann der Körper nicht selbst aus anderen Aminosäuren oder Stoffwechselprodukten herstellen, d. h., sie müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Zu den essentiellen Aminosäuren gehören Methionin, Lysin, Threonin, Phenylalanin, Tryptophan und die verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin. Aminosäuren, die der Körper zwar selbst herstellen kann, die aber in bestimmten Situationen wie beim Heranwachsen oder während einer Genesung zusätzlich mit der Nahrung aufgenommen werden müssen, werden als semi-essentielle Aminosäuren bezeichnet. Beispiele sind Arginin und Histidin. Alle anderen proteinogenen Aminosäuren wie Alanin, Asparagin, Asparaginsäure, Cystein, Glutamin, Glutaminsäure, Glycin, Prolin, Serin und Tyrosin können vom menschlichen Körper in ausreichender Menge gebildet werden. Als 21. Aminosäure wird mittlerweile das Selenocystein bezeichnet. Neben den proteinogenen Aminosäuren sollten an dieser Stelle Taurin, Ornithin und Citrullin erwähnt werden.

VERSORGUNG ÜBER DIE ERNÄHRUNG

Der Bedarf an Aminosäuren wird in der Regel durch eine ausgewogene Ernährung vollkommen gedeckt. Proteinreiche Lebensmittel sind Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier, Nüsse und Hülsenfrüchte wie bspw. Soja, Linsen und Erbsen. Lebensmittel tierischen Ursprungs enthalten in der Regel alle unentbehrlichen Aminosäuren. Wenn man pflanzliche Lebensmittel wie Getreide (methioninreich, lysin-, threonin- und tryptophanarm) und Hülsenfrüchte (methioninarm, lysin-, threoninund tryptophanreich) kombiniert, sollen auch bei rein pflanzlicher Ernährung der WHO und DGE zufolge Mangelzustände vermeidbar sein.

STRESS UND AMINOSÄUREN

Tryptophan wird als stimmungsaufhellend und antidepressiv beschrieben. Es spielt zudem eine Rolle bei der Schläfrigkeit, die nach großen Mahlzeiten auftritt. Die Ursache für diesen Effekt ist die Umwandlung von Tryptophan über 5-Hydroxytryptophan in Serotonin. Ein Mangel an Tryptophan kann sich in Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Depressionen usw. äußern. Manche Untersuchungen zeigen, dass sich Menschen nach Einnahme von Tryptophan schläfrig fühlen und auch schneller einschlafen. (Zhao et al., The Effects of Dietary Nutrition on Sleep and Sleep Disorders. Mediators of Inflammation, 2020.)
eine überdosierung von tryptophan kann jedoch zum serotonin-syndrom führen, einer stoffwechselstörung, die mit verwirrtheit, erregung, temperaturerhöhung, muskelzuckungen, gesteigerten reflexen, zittern, durchfall und blutdruckanstieg, in schweren fällen auch mit blutdruckabfall, koma und schock einhergeht.
Im Zusammenhang mit dem Thema „Stress“ wird oft das Tyrosin genannt. Ein Metabolit des Tyrosins ist das Noradrenalin. Die Noradrenalin-Freisetzung ist während des Schlafs am niedrigsten, steigt während des Wachseins und erreicht hohe Level in Stress- und Gefahrensituationen. Noradrenalin hilft somit dem Körper, sich auf Angriff oder Flucht einzustellen. Eine Studie berichtet bspw., dass die Gabe von 150 mg/kg Tyrosin nach nächtlichem Schlafentzug das Arbeitsgedächtnis, das logische Denken und die Vigilanz verbesserte. Jedoch ist der Zusammenhang zwischen Tyrosin und Schlaf noch nicht ausreichend untersucht. (Zhao et al., s. o.)

VERSORGUNGSLÜCKEN SIND SELTEN

Die meisten Menschen weisen eine gute Versorgung mit Aminosäuren auf. Manchmal sehen wir in den Profilen erniedrigtes Taurin, Arginin, Ornithin oder 1-Methylhistidin. Allerdings erfahren wir nur selten etwas über den Lebensstil und die Ernährungsweise des Getesteten. Taurin kann im menschlichen Körper zwar aus Cystin hergestellt werden, der größte Taurin- Anteil stammt aber aus der Nahrung, vor allem aus Fleisch und Fisch. Wer Taurin supplementiert, sollte sich bewusst machen, dass diese Aminosäure wegen ihrer nur einstündigen Halbwertzeit etwa acht Stunden nach einmaliger Einnahme bereits wieder ihre Ausgangskonzentration im Plasma erreicht.
Beim Arginin steigt der Bedarf z. B. stressbedingt, bei diversen Krankheiten und im Alter an. Ornithin wird – als nichtproteinogene Aminosäure – im Harnstoffzyklus aus Arginin gebildet. In der normalen Ernährung kommt Ornithin nur in sehr geringen Mengen in Fisch und Fleisch vor. 1-Methylhistidin nehmen wir mit der Nahrung zu uns; es ist somit in unterschiedlichen Mengen nachweisbar, hat jedoch keine klinisch-pathologische Bedeutung. Einen Mangel an Aminosäuren sollte man bei ungenügender Eiweißzufuhr im Blick behalten, etwa im Verlauf von Diäten oder bei Infekten, bei chronischem Erbrechen oder Diarrhö – und bei erhöhtem Proteinbedarf, wie er bei Sportlern, Kindern, im Alter oder postoperativ vorkommt.

AUFNAHMEFÄHIGKEIT

U. a. kann es bei entzündlichen Darmerkrankungen vorkommen, dass der Körper Aminosäuren nicht richtig aufnehmen kann. Bei der Colitis ulcerosa werden oft niedrige Histidinspiegel gemessen, beim Morbus Crohn sowohl niedrigere Histidin- als auch Tryptophan-Spiegel. Den Entzündungsmarker CRP finden manche Forscher dabei gleichzeitig erhöht. (Hisamatsu et al., Novel, Objective, Multivariate Biomarkers Composed of Plasma Amino Acid Profiles for the Diagnosis and Assessment of Inflammatory Bowel Disease. PLOS One, 2012 Vol7 Issue 1.) Ob und inwiefern Aminosäuren ergänzend zur Behandlung eingesetzt werden können, ist noch nicht hinreichend geklärt. (Liu et al., Nutrients 2017, 9, 920.)
Bei Zöliakie-Patienten, die sich glutenfrei ernähren, wurden niedrigere Level an verzweigtkettigen Aminosäuren sowie an Tyrosin, Phenylalanin und Tryptophan festgestellt. Ob diese Erniedrigungen eine klinische Bedeutung haben, ist derzeit jedoch noch nicht geklärt. (van Hees et al., Essential Amino Acids in the Gluten- Free Diet and Serum in Relation to Depression in Patients with Celiac Disease PLOS One, 2015.) Letztes Beispiel: die Fruktose-Malabsorption, bei der Fruktose schlecht aus dem Dünndarm aufgenommen wird und sich daher dort konzentriert. In der Folge kommt es zu einer Resorptionsstörung des Tryptophans; der Tryptophanspiegel im Plasma ist messbar erniedrigt. (Ledochowski et al., Fructose MalabMalabsorption is Associated with Decreased Plasma Tryptophan, Scand J Gastroenterol 2001.)

HELFEN PROTEINSHAKES?

Unabhängig vom Bedarf an Protein bzw. einzelnen Aminosäuren sollte erst einmal versucht werden, diesen über eine ausgewogene Ernährung zu decken. Diese besteht übrigens nicht nur aus Proteinen, sondern auch aus Kohlenhydraten, Fetten, Vitaminen und Spurenelementen. Falls man Proteinpulver/- shakes konsumiert, gilt dies: Proteinmischungen tierischen Ursprungs (Molken- oder Caseinprotein) enthalten in der Regel alle unentbehrlichen Aminosäuren. Bei pflanzlichen Produkten kommt es auf eine ausgewogene Kombination der pflanzlichen Proteine an, da Getreideproteine methioninreich, aber lysin-, threonin- und tryptophanarm sind, Proteine aus Hülsenfrüchten dagegen methioninarm, lysin-, threonin- und tryptophanreich.

ANALYTIK

Üblicherweise erfolgt eine Aminosäure-Analytik im Rahmen eines selektiven Screenings oder bei klinischen Fragen, zum Beispiel ob eine Entwicklungsverzögerung, eine mentale Retardierung oder eine episodisch fieberbedingte Somnolenz eines Patienten auf eine vererbte Stoffwechselkrankheit zurückzuführen ist. Bei den möglichen Mangelsymptomen (s. o.) können Aminosäureprofile zur Klärung beitragen. Vegetarier und Veganer interessieren sich zunehmend dafür, ob ein Mangel an bestimmten Aminosäuren besteht. Auch wenn einzelne Aminosäuren, etwa die essentiellen, im Einzelfall relevant sind, wird meist ein Spektrum aus ca. 44 Aminosäuren untersucht.

ERGEBNISSE

Zunächst kann man im Aminogramm sehen, ob die einzelnen Aminosäuren im Referenzbereich liegen. Bestimmte pathologische Veränderungen der Aminosäurewerte lassen Rückschlüsse auf eine eventuelle vererbbare Stoffwechselkrankheit zu. Außerdem gibt ein Aminogramm Hinweise zu Aminosäuremangel, Übersupplementierung und ob eine Probe postprandial oder nach einer verlängerten Fastenperiode gewonnen wurde. Die Ergebnisse lassen sich aber nur zuverlässig interpretieren, wenn die Fragestellung und die klinische Daten bekannt sind.


DR. CLAUDIA SCHROEDER
Die Diplom-Chemikerin hat sich auf die Analytik von vererbbaren Stoffwechselkrankheiten spezialisiert und leitet die Abteilung für spezielle klinische Chemie beim Bioscientia Institut für Medizinische Diagnostik.
www.bioscientia.de


DR. HENDRIK BORUCKI
Der Diplom-Biologe ist seit 2014 Leiter für Marketing und Kommunikation der Bioscientia Gruppe. 2003 gründete er das Magazin „IGeL aktiv“ und beschäftigt sich seitdem mit dem Vermitteln von labordiagnostischen Inhalten.
www.bioscientia.de


Foto: Eugeniusz Dudziński – stock.adobe.com,Bioscientia Healthcare GmbH


Diesen sowie weitere Artikel findest du in der TRAINER Ausgabe 06|2021

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