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Bioverfügbarkeit

Bioverfügbarkeit

Vitamine und Mineralstoffe besser aufnehmen

Viele Sportler ernähren sich gesund, leiden aber trotzdem unter einem Nährstoffmangel. Nele Endner erklärt, wie die Bioverfügbarkeit von Lebensmitteln durch die richtige Zubereitung bzw. Kombination gezielt erhöht werden kann.

Die Bioverfügbarkeit beschreibt die vom Körper aufgenommene Menge eines Nährstoffs aus Lebensmitteln bzw. eines Wirkstoffs aus einem Medikament in die Blutbahn oder das jeweilige Zielgewebe. Diese kann z. B. gemessen werden, indem man nach der Wirkstoffaufnahme die Konzentration im Blut misst. Würde ein isolierter Nähr- oder Wirkstoff direkt in die Vene gespritzt werden, würde die Bioverfügbarkeit 100 Prozent betragen, sofern der Stoff nicht in der Leber direkt abgebaut oder inaktiviert wird.
Die Bioverfügbarkeit ist relevant, da sie bei der Dosis von z. B. Supplementen oder Medikamenten berücksichtigt werden muss. Sie schwankt je nach Nährstoff sehr stark und ist von vielen,zum Teil täglich wechselnden Faktoren abhängig. Damit wir aber nicht täglich bei jedem unserer Lebensmittel auf die zugeführten Nährstoffe achten müssen, hat unser Körper viele Einflussmöglichkeiten auf die Aufnahmemenge; in der Regel liegt die Zufuhrmenge bei den meisten Nährstoffen deutlich über der vom Körper benötigten Menge. Zudem gibt es für einige Nährstoffe auch körpereigene Speicher, die bei erhöhter Zufuhr gefüllt werden und bei geringer Zufuhr genutzt werden können. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Eisen, das ständig für die Blutbildung benötigt wird und für das sich der Körper daher einen recht großen Speicher zulegt. Trotzdem kann es in Zeiten eines erhöhten Bedarfs, wie z. B. in der Schwangerschaft oder beim Leistungssport vor allem im Jugendalter, zu einer Leerung des Eisenspeichers und damit verbundenen Mangelerscheinungen wie einer Anämie (Blutarmut) kommen.

EINFLUSSFAKTOREN

Das Spurenelement Eisen ist auch ein gutes Beispiel, um sich verschiedene Einflussfaktoren auf die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen anzusehen. Einige nicht beeinflussbare Faktoren sind Alter und Geschlecht. Mit dem Alter nimmt die Aufnahmekapazität des Darms erheblich ab und häufig wird aufgrund der geringeren Nahrungszufuhr die Versorgung schlechter. Zudem leiden ältere Menschen häufiger an chronischen Erkrankungen und nehmen regelmäßig Medikamente ein, welche die Nährstoffaufnahme beeinflussen. Daher sollte die Qualität der Lebensmittel höher sein, um die Nährstoffversorgung abzudecken. Das Geschlecht hat durch die Hormonwirkungen ebenso einen Einfluss; so verändert sich bei Frauen während des Zyklus und in der Schwangerschaft die Aufnahmekapazität. Relevanter sind aber die Einflussfaktoren, die (bedingt) beeinflussbar sind.

SEKUNDÄRE PFLANZENSTOFFE

Die Bioverfügbarkeit von sekundären Pflanzenstoffen unterliegt verschiedenen Faktoren. So wird das in den Zellwänden von Tomaten enthaltene Lycopin erst durch Kochen zur Aufnahme zugänglich. Auch die bekannten Carotinoide in Karotten und anderem orangefarbenem Gemüse haben roh eine Bioverfügbarkeit von unter 3 Prozent; im erhitzten Zustand liegt diese über 15 Prozent. Sekundäre Pflanzenstoffe haben viele positive Einflüsse auf unseren Körper, wie z. B. eine Entzündungshemmung oder das Potenzial, Krebs zu verhindern. Daher sollte man möglichst viele unterschiedliche davon zu sich nehmen. Besonders gesund sind auch die Glucosinolate in Kohlgemüse. Diese sind allerdings hitzelabil, daher sollte Kohl roh verzehrt werden. Man kann jedoch auch einen Trick anwenden: Durch das Zerkleinern der Lebensmittel werden Enzyme aktiviert, die Glucosinolate abbauen. Dabei entstehen Abbauprodukte wie das Sulforaphan, das ebenfalls einen hohen gesundheitlichen Nutzen bietet und hitzestabil ist. Daher kann man sehr gut Kohlgemüse erst schneiden und dann nach 20 bis 30 Minuten erhitzen, um sich diesen Effekt zunutze zu machen. Aber auch rohes Kohlgemüse, Radieschen, Broccolisprossen und Meerrettich eignen sich zur Aufnahme von Glucosinolaten.

DARMGESUNDHEIT/VERDAUUNG

Der Darm bildet die größte Kontaktfläche unseres Körpers mit der Umgebung. Er ist für die Verdauung verantwortlich, beheimatet aber auch den größten Teil unseres Immunsystems. Der obere Abschnitt des Verdauungssystems (Mund, Speiseröhre, Magen) ist zunächst vor allem für die Zerkleinerung und Vorbereitung der Nahrung für die Nährstoffaufnahme verantwortlich. Mittels der Verdauungssäfte aus Magen, Bauchspeicheldrüse, Leber usw. werden die Nahrungsbestandteile in ihre Nährstoffe aufgespalten, also verdaut, sodass sie vom Darm über spezifische Transporter aufgenommen werden können. Dabei gibt es für manche Nährstoffe Kanäle, durch die sie einfach diffundieren können. Andere benötigen spezielle Gegenspieler, ohne die sie nicht aufgenommen werden können. Vitamin B12 ist z. B. abhängig von dem vom Magen produzierten Intrinsic Factor. Die Aufnahmekapazität hängt natürlich auch von der Darmgesundheit ab. Liegen akute oder chronische Entzündungen vor, sind die Darmbakterien im Ungleichgewicht; ist die Konsistenz oder Passagezeit des Stuhls verändert, ist die Nährstoffaufnahme deutlich reduziert. Ein gesunder Darm ist somit Grundlage einer adäquaten Nährstoffversorgung des Körpers.

NÄHRSTOFF- UND LEBENSMITTELKOMBINATIONEN

Man könnte meinen, dass Nährstoffe innerhalb eines Lebensmittels perfekt aufeinander abgestimmt sind. Doch selbst hier beeinflussen sich bereits die verschiedenen Nährstoffe untereinander. So enthalten Spinat und Mangold zwar theoretisch eine Menge Eisen, aber durch die ebenfalls enthaltene Phytinsäure wird das Eisen bei Weitem nicht so gut aufgenommen wie in isolierter Form. Ebenso verhält es sich mit einem hohen Gehalt von um den gleichen Transporter konkurrierenden Mikronährstoffen wie Eisen und Calcium. Hierbei sind aber vor allem hochdosierte Supplemente zu beachten, da in Lebensmitteln meist die absoluten Mengen so gering sind, dass die Konkurrenz innerhalb eines Lebensmittels zu vernachlässigen ist.
Wie die Phytinsäure mit dem Eisen, so gibt es noch weitere verschiedene Kombinationen von Lebensmitteln bzw. Nährstoffen, die sich gegenseitig beeinflussen. Dabei gibt es wiederkehrende Hemmstoffe auf verschiedene Nährstoffe. Die schon angesprochene Phytinsäure hemmt neben der Eisenaufnahme auch die Calcium-, die Magnesium-, die Mangan- und die Zinkaufnahme. Der sekundäre Pflanzenstoff bindet diese Mikronährstoffe und macht sie damit für den Körper unzugänglich. Wie andere sekundäre Pflanzenstoffe, so hat auch Phytat viele positive Effekte auf unseren Körper. Es scheint potenziell antientzündlich, krebshemmend sowie cholesterin- und blutzuckerregulierend zu sein. Enthalten ist es vor allem in Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide. Die Menge kann durch verschiedene Zubereitungsmethoden wie Keimen, Einweichen und Kochen deutlich beeinflusst werden; damit können die Nährstoffverluste reduziert werden. Oxalat ist ein ähnlich wirkender sekundärer Pflanzenstoff, der zum Beispiel bei Spinat die Eisenaufnahme hemmt: Von etwa 117 mg/100 g werden durch das Oxalat nur ca. 6 mg tatsächlich aufgenommen. Auch hier wirkt sich die Zubereitungsform auf die Oxalatmenge aus. Ebenso kann die Menge an Polyphenolen in Lebensmitteln wie Tee, Kaffee und Kakao die Eisen- und Zinkaufnahme hemmen. Daher empfehle ich, vor allem Kaffee und schwarzen Tee nicht zu den Mahlzeiten zu trinken, sondern am besten mindestens eine halbe Stunde vor oder mindestens eine Stunde nach einer nährstoffreichen Mahlzeit.

EISENSPEICHER GUT GEFÜLLT?

Neben vielen hemmenden Stoffen gibt es aber auch solche, die eine Nährstoffaufnahme fördern. Dazu gehört bei Eisen und Kalzium das Vitamin C. In Studien konnte sogar belegt werden, dass eine Vitamin-C-Gabe von 60 mg (Zufuhrempfehlung: 95–110 mg) die Eisenaufnahme verdreifachen kann. Daneben fördern auch organische Säuren wie Milch- und Zitronensäure, Beta- Carotin in z. B. Karotten und schwefelhaltige Aminosäuren beispielsweise in Zwiebelgewächsen die Aufnahme von Eisen, Zink und Kalzium. Die Eisenaufnahme wird vom Körper sehr gut reguliert. Dies bezieht sich aber nur auf das Nicht-Häm-Eisen („dreiwertiges Eisen“) aus pflanzlichen Quellen. Das zweiwertige Häm-Eisen aus tierischen Produkten kann zwar vom Körper deutlich besser, aber auch deutlich weniger reguliert aufgenommen werden. Da dem Körper keine natürlichen Mechanismen zur Verfügung stehen, Eisen auszuscheiden (außer Frauen während der Menstruation), besteht bei zu hoher Eisenzufuhr aus tierischen Quellen die Gefahr einer Eisenüberladung; diese bringt nachweislich langfristig ein erhöhtes Krebsrisiko und eine erhöhte Rate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit sich.

RISIKO VITAMIN-B12-MANGEL

Vor allem bei einer pflanzenbasierten Ernährung stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Vitamin-B12-Supplementation. Die Relevanz dieses Vitamins ist inzwischen allgemein bekannt, sodass ein Mangel seltener zu finden ist. Allerdings stehen viele Menschen vor der Frage, wie hoch die Dosis ausfallen und in welcher Form sie stattfinden sollte. Die Auswahl geht inzwischen von Tabletten über Tropfen bis zu Zahncreme und Mischpräparaten. Generell empfehle ich ein Einzelpräparat, da die Mischung mit anderen Nährstoffen schnell zu einer Über- oder Unterdosierung führen kann. Vitamin B12 ist ein klassisches Beispiel für eine sehr geringe Bioverfügbarkeit. Der Körper kann nur ca. 1,5–2 μg pro Mahlzeit im Abstand von vier bis sechs Stunden über seine Transportsysteme aktiv aufnehmen. Ca. 1–3 Prozent der Dosis werden zusätzlich über passive Transportwege aufgenommen. Die Zufuhrempfehlung liegt aktuell laut DGE bei 4 μg. Optimalerweise könnte man also ein Supplement mit 1,5 μg zweimal täglich einnehmen und hätte dann bereits 3 μg. Für die restliche passive Zufuhr von 1 μg wären weitere 50 μg (bei 2 Prozent Aufnahme) notwendig. Daraus ergibt sich eine zweimal tägliche Supplementierung von knapp über 50 μg. Aus Gründen der Praktikabilität ist aber eine einmal tägliche Einnahme deutlich angenehmer. Daher muss hier der passiv aufgenommene Anteil höher liegen, nämlich bei 2,5 μg (4–1,5). Bei einer weiterhin mit 2 Prozent gerechneten passiven Aufnahme liegt man also bei einer ungefähren Dosierung von 125 μg bei einmaliger täglicher Dosis. Zudem reichen gut gefüllte Vitamin B12 Speicher mehrere Monate

NÄHRSTOFFVERLUSTE DURCH LAGERUNG

Neben der körpereigenen Aufnahme von Nährstoffen sollte auch die Menge der Vitamine und Co. in den Lebensmitteln berücksichtigt werden. Diese differieren je nach Lebensmittel, aber auch innerhalb einer Sorte aufgrund von Reifegrad, Farbe, Qualität usw. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Nährstoffverluste aufgrund langer, eventuell auch unsachgemäßer Lagerung. Hier sollte recherchiert werden, wie bestimmte Obst- und Gemüsesorten gelagert werden sollten und wie lange sie haltbar sind. Einige Lebensmittel verlieren innerhalb von wenigen Tagen ihre Nährstoffe, wie zum Beispiel Blattgemüse, während lagerungsfähige Sorten wie Kürbisse über zum Teil Monate ohne Nährstoffverlust haltbar sind.

VORERKRANKUNGEN UND MEDIKAMENTE

Eine der Hauptursachen für einen selektiven Nährstoffmangel ist jedoch vor allem die Einnahme von Medikamenten bzw. das Vorliegen von Erkrankungen, welche die Aufnahme von Vitaminen und Mikronährstoffen reduzieren. Das sind primär Erkrankungen des Magen- Darm-Traktes. Neben entzündlichen Veränderungen der Schleimhaut, die zu einer verringerten Transportkapazität führen, können auch vorangegangene Operationen ursächlich sein. Bei Patienten nach einer Verkleinerung oder Entfernung des Magens fehlt der essenzielle Intrinsic Factor, ohne den Vitamin B12 im Darm nicht aufgenommen werden kann. Hier helfen dann auch keine oralen Supplemente, sondern nur regelmäßige Infusionen. Aber auch die allseits beliebten Protonenpumpenhemmer (Säureblocker wie Pantoprazol und Omeprazol), welche die Produktion der Magensäure hemmen, führen zu einer reduzierten Bildung dieses Intrinsic Factors. Natürlich ist die Liste ursächlicher Erkrankungen und Medikamente weitaus länger und würde den Rahmen dieses Artikels sprengen – als Take-home Message gilt daher: Bei einem diagnostizierten Mangel sollte nicht wild drauflos supplementiert werden, sondern es sollten zunächst mögliche Ursachen abgeklärt werden, um diesen wenn möglich zunächst beseitigen oder die Supplementierung anpassen zu können.

FAZIT

Es lohnt sich in den meisten Fällen, dem eigenen Körper zu vertrauen. Er hat sehr gute Mechanismen, die Nährstoffaufnahme der aktuellen Verfügbarkeit anzupassen oder im Zweifel auf Speicher zurückgreifen zu können. Hier muss bei einer ausgewogenen, bunten, gesunden, abwechslungsreichen und pflanzenbasierten Ernährung sowie einer ausreichenden Kalorienzufuhr mit keinem relevanten Mangel gerechnet werden. Allerdings gibt es immer auch Ausnahmen, wie z. B. im Winter mit der Vitamin-D-Versorgung. Es empfiehlt sich immer, einen Blick auf die offiziellen Empfehlungen zu werfen. Umso wichtiger ist dies, wenn eine besondere Situation vorliegt, wie Schwangerschaft, Krankheit, Medikamenteneinnahme, einseitige Ernährung aufgrund von Unverträglichkeiten u. v. m. Bei Zweifeln sollte ein Ernährungsberater oder ein Mediziner zu Rate gezogen werden.


NELE ENDNER
Die Ärztin arbeitet in der Forschung im Bereich der Ernährungsmedizin und Diabetologie an der Uniklinik Bern und bietet als selbstständige Ernährungsberaterin mit dem Fokus auf pflanzenbasierte Ernährung Einzel- und Gruppenstunden sowie Vorträge zur gesundheitsbewussten Ernährung an. www.gesundheit-endner.de

 


Foto: Anna – stock.adobe.com

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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