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Fitnesstraining bei: Krebserkrankungen

Fitnesstraining bei: Krebserkrankungen

Krebserkrankungen sind neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen für die meisten Krankheits- und Todesfälle in Deutschland mitverantwortlich. In der onkologischen Therapie nimmt die Bewegungs- und Sporttherapie als unterstützende Maßnahme einen hohen Stellenwert ein.

Hunderte von wissenschaftlichen Studien belegen eindrucksvoll sowohl während als auch nach der Therapie die positive ganzheitliche Wirkung des Trainings auf die krankheits- und therapiebedingten Nebenwirkungen (u. a. Fatigue, Polyneuropathien, Muskelmassenabnahme, Osteoporose), auf die Lebensqualität und auf die körperliche Leistungsfähigkeit bei Krebspatienten. Aufgrund der verschiedenen zahlreichen Krebsarten und der damit unterschiedlichen individuellen Therapieverläufe, wie z. B. notwendige Operationen, Chemo-, Strahlen- und/oder Hormontherapie, sollte das Training immer individuell an die momentane Therapiephase und die individuelle Leistungsfähigkeit des Patienten angepasst sein, um trainingsbedingte Überforderungen zu vermeiden.

Stärkung des Immunsystems

Das zentrale Trainingsziel in der onkologischen Sporttherapie liegt in der Verbesserung des körpereigenen Abwehrsystems, unseres Immunsystems. Das Immunsystem von Krebspatienten ist aufgrund der verschiedenen onkologischen Therapien meist geschwächt und muss langsam wieder aufgebaut werden. Deshalb sollte jeder Trainer bei der Festlegung der einzelnen Trainingseinheiten über die Auswirkungen eines körperlichen Trainings mit unterschiedlichen Trainingsintensitäten auf das Immunsystem Bescheid wissen und dies auch in der Trainingsplanung berücksichtigen. Jede körperliche Belastung stellt für unseren Organismus zunächst einmal eine Stresssituation dar, auf die der Körper über die verschiedenen großen Körpersysteme, wie z. B. das Herz-Kreislauf-System, das Nerven-, das Hormonund das Immunsystem, reagieren muss. In zahlreichen sportimmunologischen Studien überwiegend zum Ausdauertraining konnte nachgewiesen werden, dass ein körperliches Training eine belastungsinduzierte Mobilisierung der Immunzellen des unspezifischen und des spezifischen Immunsystems bewirkt. Dabei besteht eine enge Wechselwirkung zwischen unserem Energiestoffwechsel und den damit ausgelösten hormonellen Reaktionen (Gabriel et al. 2006).

Belastungsphase

Sofort mit Belastungsbeginn und auch während der Belastung kommt es durch die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin zu einer Erhöhung des Herzminutenvolumens und des Blutdrucks, wodurch der Substrat- und der Energiebedarf in der arbeitenden Muskulatur sichergestellt wird. Zudem lassen sich im Blut trainingsintensitätsabhängige Entzündungsparameter feststellen, worauf unser Immunsystem mit einer Erhöhung der Immunzellenanzahl (Leukozytose) und der spezifischen Zytokine reagiert. Es konnte während der Belastung beobachtet werden, dass die Anzahl der natürlichen Killerzellen am stärksten ansteigt und dass gleichzeitig auch Granulozyten, Monozyten, T-und B-Lymphozyten mobilisiert werden konnten (Baum et al. 1998).

Nachbelastungsphase

Bei moderaten Trainingsbelastungen zeigt sich nach der Belastung eine schnelle Abnahme der Leukozytenanzahl innerhalb der nächsten 24 Stunden auf das Ausgangsniveau, da auch nicht mehr die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet werden. Die Immunabwehr ist nach moderaten Trainingsintensitäten nicht gestört bzw. eingeschränkt. Nach sehr intensiven, aber auch nach längeren Trainingseinheiten kann die Abwehrfunktion des Immunsystems herabgesetzt sein, weil die Anzahl der Abwehrzellen bis zu 72 Stunden nach der Belastung noch weit unter dem Ausgangsniveau liegt. In diesem Zeitraum können Viren und Bakterien wie durch ein offenes Fenster leichter in den Organismus eindringen, da die Abwehrfunktion aufgrund der geringen Leukozytenanzahl stark herabgesetzt ist (Niemann et al. 1999). Diese vorübergehend verminderte Abwehrfähigkeit des Organismus wird als Open-Window-Phänomen bezeichnet. Einerseits kämpfen unsere Abwehrzellen gegen die trainingsinduzierten Entzündungsprozesse wie z. B. Mikrotraumen im Muskelgewebe an und andererseits gegen die von außen angreifenden Infektionserreger. Dies kann dann gleichzeitig zu einer Überforderung des bereits geschwächten Immunsystems durch die onkologische Therapie (z. B. Chemo- und Strahlentherapie) führen und deshalb ist besonders das Infektionsrisiko der oberen Atemwege nach intensiven Trainingseinheiten aufgrund der überforderten Abwehrzellen besonders hoch (Scharhag et al. 2002).

Individuelle Trainingsplanung

In Abhängigkeit von der Intensität, der Dauer und der Häufigkeit des Trainings kann also eine Stärkung, aber auch eine Schwächung des Immunsystems erreicht werden. Bei der Trainingsplanerstellung für Krebspatienten sollten folgende Grundüberlegungen berücksichtigt werden:

Trainingszustand

Das Training sollte an den Trainingszustand des Patienten angepasst sein. Trainierte Patienten verfügen z. B. über viel besser funktionierende antioxidative Schutzsysteme, die gerade bei intensiven Belastungen die dabei entstehenden freien Radikale schneller beseitigen können. Untrainierte Patienten dagegen verfügen nicht über diese Schutzsysteme. So können bei intensiven Belastungen die freien Radikale direkt Zellen und wichtige biologische Strukturen angreifen und schädigen, wodurch die Immunabwehr überfordert werden kann.

Trainingsintensität

Die Intensität der Belastung sollte immer an die aktuelle individuelle Leistungsfähigkeit und die Therapiephase angepasst sein, um einer Überforderung des Immunsystems entgegenzuwirken.

Trainingsdauer

Lang andauernde Belastungen mit hoher Trainingsintensität schwächen unser Immunsystem am stärksten, da es im Blut zu einem überproportionalen Anstieg von Stresshormonen (u. a. Cortisol) kommt, welche die Abwehrfunktion des Immunsystems chronisch unterdrücken können und somit das Infektionsrisiko ansteigen lässt. Deshalb sollte das Training langfristig geplant und progressiv aufgebaut werden.

Trainingshäufigkeit

Die Festlegung der Trainingshäufigkeit ist natürlich abhängig von der Intensität der einzelnen Trainingseinheiten und der aktuellen Therapiephase. Es sollte sich nach jeder intensiveren Trainingseinheit bei trainierten Patienten eine belastungsabhängige Regenerationsphase anschließen, damit sich das Immunsystem immer wieder erholen und die Abwehrzellen wieder ihr Ausgangsniveau erreichen können. Trainingseinsteiger sollten zunächst mindestens zweimal in der Woche ein moderates Ausdauer- bzw. Krafttraining durchführen.

Fazit

In der onkologischen Sporttherapie und bei dem möglicherweise anschließenden Fitnesstraining können Krebspatienten durch eine zielgerichtete und individuelle Trainingsplanung die Leistungsfähigkeit und die Arbeitsweise des Immunsystems positiv beeinflussen. Aber nicht allein nur der Sport, sondern auch eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und die Vermeidung von negativem Stress sind für ein „gesundes“ Immunsystem mitverantwortlich. Aus immunologischer Sicht kann den Krebspatienten empfohlen werden, dass sie ihr Training regelmäßig und mit progressiv gesteigerten Trainingsintensitäten speziell im Ausdauer- und Krafttraining durchführen sollten, um ihr Immunsystem langfristig und dauerhaft zu stärken. Besonders bei onkologischen Erkrankungen sollte das Training von qualifizierten Therapeuten bzw. Trainern überwacht werden, da die allgemeinen Trainingsempfehlungen für gesunde Sportler nicht einfach eins zu eins auf das Training mit Krebspatienten übertragen werden können. Bei der Trainingsplanung sollte immer die aktuelle Leistungsfähigkeit und die individuelle Krankheitsgeschichte mit den möglichen bestehenden therapiebegleitenden Nebenwirkungen und aktivitätsbedingten Kontraindikationen berücksichtigt werden.

Prof. Dr. Thorsten Kreutz | Der Autor verantwortet die Professur Fitness und Gesundheit an der IST-Hochschule für Management. Er ist Sportwissenschaftler und Sporttherapeut für innere Erkrankungen, Neurologie und Orthopädie und verfügt über eine 25-jährige praktische Berufserfahrung im Fitness- und Therapiebereich.

 

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