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Rückenschmerzen: 3 Übungen für die Fascia thoracolumbalis

Rückenschmerzen:  3 Übungen für die Fascia thoracolumbalis

26Ca. 80 Prozent der Erwachsenen in Deutschland leiden gelegentlich oder dauerhaft an Rückenschmerzen. Ein großer Anteil dieser Beeinträchtigungen ist auf eine Funktionsstörung der großen Rückenfaszie (Fascia thoracolumbalie) zurückzuführen, die euch Nici Mende hier genauer vorstellt.

Fascia, Fascie, Fasciae oder Faszie – Egal, welches Wort genutzt wird, die Übersetzung „Band“ oder „Bandage“ erklärt die Grundfunktion des Bindegewebes ganz gut. Es verbindet/durchzieht unseren gesamten Körper und ist struktur- und formgebend z.B. für unsere Muskulatur, Sehnen und Bänder. Dicht besiedelt mit Nervenzellen, ist es unser Wasserspeicher und erhält die Gleitfunktion einzelner Strukturen gegeneinander. Das Bindegewebe hat Tag und Nacht viele Aufgaben zu erledigen. Es unterstützt u.a. die körperinterne Kommunikation, die Versorgung mit Nährstoffen und die Immunabwehr. Und vor allem hilft es uns bei jeder Bewegung.

Die Faszienforschung unterteilt die Faszien in „lockeres Bindegewebe“ als weit im Körper verzweigtes, kollagenes Netzwerk und „dichtes Bindegewebe“ in parallel oder mehrschichtig verlaufenden, elastischen Kollagenfasern. Diesem dichten, festen Bindegewebe gehört die Fascia thoracolumbalis (Thoracolumbalfaszie, TLF) an.

Anatomie

Abb.1: Der Mensch in Schichten. Zug und Druck verteilen sich in die Körperperipherie. Grafiken: Nici Mende

Abb.1: Der Mensch in Schichten. Zug und Druck verteilen
sich in die Körperperipherie. Grafiken: Nici Mende

Die TLF überspannt den Bereich von der unteren Brustwirbelsäule über die gesamte Lendenwirbelsäule bis zum Steiß- und Kreuzbein. Sie wird meist in zwei Blätter, ein oberflächliches und ein tiefes Blatt, eingeteilt.

Das oberflächliche Blatt (Lamina superficialis – in Abb. 2 blau dargestellt) bildet mit kraftübertragenden Ansätzen an den Dornfortsätzen (Procc. spinosi), dem Darmbeinkamm (Crista ilica) und dem Kreuzbein (Os sacrum) den Ursprung für den Rückenstrecker (M. erector spinae), den großen Gesäßmuskel (M. glutaeus maximus), den breiten Rückenmuskel (M. latissimus dorsi) und Teile des äußeren schrägen Bauchmuskels (M. obliquus externus abdominis) sowie des Trapezius (M. trapezius pars ascendenz).

Das tiefe Blatt (Lamina profunda – in Abb. 2 schwarz dargestellt) der großen Rückenfaszie entspringt den Querfortsätzen (Procc. costalis und transversi) und dient als Ursprung für den inneren schrägen sowie den quer verlaufenden Bauchmuskel (Mm. obliquus internus + transversus abdominis) und den hinteren unteren Sägemuskel (M. serratus posterior inferior). Im kopfwärts (kranial) ausgerichteten Bereich verzweigt sich die TLF weiter in die Faszie des Nackens (Fascia nuchae). Im Beckenbereich, in Richtung der Füße (kaudal), findet über die Gesäßfaszie und die Verzweigung in das breite Beckenband (Lig. sacrotuberale) eine direkte Kraftweiterleitung in den Beinbeuger (M. biceps femoris) und die große Beinfaszie (Fascia lata) statt.

Die TLF verläuft im gesamten unteren Rücken (lumbal) direkt unter der Haut. Äußere Reize wie Schröpfen, Massage, Foamrolling etc. wirken hier sehr effektiv!

Funktionen der TLF

Abb. 2: Schema Thoracolumbalfaszie, die Rektusscheide bleibt undifferenziert. Grafiken: Nici Mende

Abb. 2: Schema Thoracolumbalfaszie, die Rektusscheide bleibt undifferenziert. Grafiken: Nici Mende

Die TLF wirkt als Kraftüberträger nicht nur auf das Skelett, sondern auch auf die muskulären Partner untereinander (Abb. 3). Wir kennen dieses Prinzip als Co-Kontraktion (mehrere Muskeln kontrahieren gleichzeitig), welches bisher nur auf die nervale Ansteuerung verschiedener Muskeln zurückgeführt wurde und erst mit der Faszienforschung neue Ansätze findet. Diese erkannte, dass die der TLF angehörigen Muskeln mit ihren faszialen Strukturen (myofaszial) die Kraftweiterleitung von der Wirbelsäule auf die Extremitäten, den Kopf und das Becken bewirken.

Die zwei Blätter/Schichten führen die autochthone Rückenmuskulatur in einer Art Köcher (Loge) geschmeidig an der Wirbelsäule entlang. Dies gleicht der Rektusscheide, die den synergistischen Spannungspartner der TLF darstellt. Diese Partnerschaft und die mehrschichtige, viskoelastische, bilateral verzweigte Struktur (Netz in Abb. 3) gewährleistet mithilfe der muskulären Spannung eine gute Rumpfstabilität. Die hier angesiedelte hohe Dichte an Rezeptoren hat zudem einen sehr großen Einfluss auf die Sensomotorik der Rumpf- und Gesäßmuskulatur.

Abb.3: Kraftweiterleitung und Faserverlauf (re.Pfeil) der TLF (M. latissimus dorsi, geschnitten) . Grafiken: Nici Mende

Abb.3: Kraftweiterleitung und Faserverlauf (re.Pfeil) der TLF (M. latissimus dorsi, geschnitten)
. Grafiken: Nici Mende

Ursachen für Funktionsstörungen

Ein beträchtlicher Anteil von Schmerzen im Rücken, Rumpf- und Nackenbereich ist auf eine Funktionsstörung der TLF zurückzuführen. Woher kann diese kommen?

  • Durch Bewegungsmangel, Traumata, einseitige Belastung, Fehl- und Schonhaltungen wird die Faszie dauerhaft gestaucht oder in Fehlzüge gebracht.
  • Die kollagenen Strukturen, die wasserspeichernden Proteine (vorw. Hyaluronan) und das Zellwasser werden nicht erneuert bzw. ausgetauscht.
  • Die Elastizität der Struktur nimmt ab, die geschmeidig gleitende Funktion verebbt in eine verfilzte, steife „Masse“. Diese Steifigkeit (Stiffness) wirkt negativ auf die freien Nervenendigungen (Nozizeptoren) und die Zugverteilung in die angeschlossenen Körperregionen.
  • Dort, wo der höchste Reiz auf die Nozizeptoren stattfindet, meldet der Körper Schmerz.

Es ist also nicht nur die Rückenproblematik, die wir der oft „misshandelten“ TLF zuschreiben können, sondern es sind auch Probleme in ihrem Zugverlauf: Kopf, Nacken, Schulter, Knie usw. (siehe Zugschema in Abb. 1). Eine Schmerztherapie und die Pflege der Rückenfaszie sollten demnach möglichst ganzheitlich erfolgen.


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Lösungsansatz

Um eine dauerhafte Besserung zu erreichen, ist langfristig eine adäquate Bewegung nötig. Natürlich sollte bei Schmerzproblematiken eine medizinische Abklärung und ggf. Therapie stattfinden. Die Therapie sollte spätestens in der Aufbauphase eine aktive Bewegung einplanen, da sich die Struktur nur so funktionell aufbauen kann, die Sensorik wiederhergestellt wird, das Schmerzgedächtnis vergisst und das Vertrauen in die körperliche Unversehrtheit und Leistung wächst.

Abwechslungsreiche Reize setzen

Die bindegewebige Struktur benötigt abwechslungsreiche Reize; natürlich arbeitet sie immer irgendwie mit. Der „Kippschalter“ zur vermehrten Kollagensynthese wird aber erst dann betätigt, wenn das Gewebe einen ausreichenden Reiz erfährt. Übungen für die Rückenfaszie sollten folgende Eigenschaften enthalten:

  • federnd: wiederkehrende (oszillierende) Spannungselemente
  • dehnend: maximale Aufspannung aller möglichen Faserverläufe über mehrere Gelenke
  • kräftigend: hochdosierte Muskelspannung bzw. -vordehnung mit kurzen, zuckenden Bewegungen nach Ausbelastung (Muskel bereits ermüdet)
  • spürend: sensorische Reizsetzung mit geschmeidigen Bewegungsabläufen
  • entlastend: Massage und Rolltechniken (kann auch aktivierend bzw. schnell durchgeführt werden. Schnelles Rollen fördert den Wasseraustausch, während langsames Rollen die Kollagensynthese fördert )

Trick zum Verständnis der Zugverhältnisse

Ziehe ein Kapuzenshirt mit möglichst festem Stoff an, setze die Kapuze auf und fixiere das untere Bündchen mit den Händen am Gesäß. Jetzt ist das Shirt voll gespannt. Beuge dich jetzt nach vorn herunter und spiele mit dem gespannten Stoff. Fühle, was sich im Rücken/Nacken/Kopf tut. Hält ein Partner das untere Bündchen, können zusätzlich die Ärmel fixiert werden und die Bewegung in der Vorbeugung kann besser durchgeführt und nachgespürt werden. Eine tolle Methode z.B. im Faszien- oder Rückenkurs, im Personal Training und Fascial Coaching.

Noch etwas?!

Wenn ihr bereits die anderen Artikel unserer „Gestatten“-Serie gelesen habt, habt ihr sicher schon festgestellt, dass die dort aufgezeigten Übungen ebenfalls stetig Einfluss auf die Thoracolumbalfaszie nehmen. In der nächsten Folge von „Gestatten“ werden wir mit dem M. latissimus dorsi diesen Einfluss weiterverfolgen.

Geschrieben von
Nici Mende | TÜV-zert. Personal Trainerin, Dipl.-Trainerin med. Fitness, Adv.Trainerin Fascial Fitness. Die Autorin ist Ausbilderin beim GluckerKolleg Stuttgart, Konzeptentwicklerin von„Fascial Coach“, „Faszienfitness für Senioren“ und „Ballkontakt“. Sie arbeitet u.a. als freie Referentin für die Fascial Fitness Association. www.fascial-coach.de

Übungen

Afrikanisches Bücken (nach Fascial Fitness Ass.)

Kurze, federnde Bewegungen aus dem „Finger-Boden-Abstand“ werden in alle erreichbaren Richtungen durchgeführt. Der Rumpf sollte eine innere Spannung (Corespannung, Tensegralspannung …) halten, die bei einem gesunden Rücken auch zwischenzeitlich entspannt werden kann.

Methodische Aufbaumöglichkeit:

1. WS geschmeidig bewegen;Hände auf den Knien abgestützt
2. tief und schmelzend
3. tief und in viele Richtungen federn

Das Aufrichten des Oberkörpers darf wechselnd zwischen Aufrollen und plötzlichem Auffedern durchgeführt werden. Das Auffedern bedarf zwingend der tensegralen Spannung und wird aus einer ruckenden Abwärtsfederung übernommen. Einmal gelernt, erscheint es den meisten Schmerzgeplagten (ausgenommen bei Bandscheibenproblematik) als viel leichter!

Die schiefe Schaukel

 

Aus der eingerollten Rückenlage wird das rechte Bein leicht vom Körper weggestreckt, der rechte Arm hält den Kopf, das linke Bein verweilt über dem Bauch. Der Körper schaukelt über die linke Körperseite (A). Der Rumpf spannt reflektorisch und die TLF wird zusätzlich „massiert“. Wer ambitioniert ist, darf sich aus dieser Schaukel in die verschiedensten Positionen bringen und z.B. über die linke Seite aufstehen (B), das linke Bein lang durchkreuzen und die diagonale Dehnung der TLF suchen (C) oder das Bein heben und die Kraftlinien stärken (D).

Varianten:

Einfach: nur schaukeln mit festgehaltenem Bein
Mittel: schaukeln mit seitlich abgelegtem linken Arm (kein Beinkontakt)
Schwer: schaukeln mit Zusatzdruck (rechter Arm auf rechtes Knie, siehe Bild A)

Turn over

Rückenlage auf dem „Fascial Coach Ball“ (Höhe Beckenkamm), vorbereitend multidirektionales Ausrollen und Ausfedern der TLF. Wahlweise doppelt belegt mit Rolle und Ball (A). Die Rollbewegungen vergrößern (B). Das linke Bein und den rechten Arm möglichst lang ausstrecken (C). Langsam über die linke Seite rollen und so den Ball in die Leistenregion führen (D).


Muskeltraining für Trainer Teil 1 und 2


 

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