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Ketogene Ernährung

Ketogene Ernährung

Wie wirkt sie auf das Gehirn?

Eine ketogene Diät ist eine spezielle Ernährungsform, die durch einen hohen Anteil Fett und einen niedrigen Anteil Kohlenhydrate und Proteine gekennzeichnet ist. Patrick Meinart erklärt, welchen Effekt eine ketogene Ernährung auf das Gehirn hat.

Die Produktion von Ketonkörpern, die vom Körper und vom Gehirn als energiereiches Substrat verwendet werden können, wird von ketogener Ernährung bewirkt. Da das Gehirn nur Glukose (Zucker) oder Ketone direkt verstoffwechseln kann, müssen alle freien Fettsäuren zuerst in Ketone umgewandelt werden. Ketonkörper werden häufig auch als vierter Makronährstoff bezeichnet. Sie verbessern den oxidativen Stoffwechsel von Mitochondrien, was zu einer verbesserten ATP-Produktion (Adenosintriphosphat) führt, wirken neuroprotektiv (die Nervenzellen und das Nervengewebe schützend), reduzieren die Bildung von oxidativem Stress und haben eine antiinflammatorische (entzündungshemmende) Wirkung auf das Nervensystem.

Seit etwa hundert Jahren wird die ketogene Ernährung als Therapieform zur Bekämpfung von Epilepsie verwendet. Sie zeigt vor allem bei medikamentenresistenter Epilepsie eine Verbesserungsrate von etwa 50 Prozent in Bezug auf die Anfallshäufigkeit. Der Wirkmechanismus wird in der Reduktion des Glukosestoffwechsels und in der Förderung der Lipidoxidation vermutet. Darüber hinaus zeigt diese Form der Ernährung auch Verbesserungen bei diversen anderen neurologischen Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson. Ketonkörper haben einen positiven Einfluss auf die Motorik, die bei vielen neurologischen Erkrankungen gestört ist. Durch den Einsatz einer ketogenen Diät werden plötzlich auftretende neuronale Entladungen, wie sie zum Beispiel bei einem epileptischen Anfall vorkommen, deutlich reduziert.

KETONKÖRPER ALS ENERGIEQUELLE

Bei einer ketogenen Diät werden etwa 90 Prozent der Kalorien aus fettreichen Nahrungsmitteln gewonnen. Die restlichen Kalorien werden zwischen Proteinen und Kohlenhydraten aufgeteilt, wobei Proteine in der Regel nicht mehr als 1 g/kg Körpergewicht betragen und die Kohlenhydrate auf maximal 30 g limitiert sind. Sportler können häufig mehr als 30 g Kohlenhydrate konsumieren, da der Körper mehr Kohlenhydrate verträgt, ohne aus der Ketose (Stoffwechselzustand, bei dem die Konzentration von sauren Ketonkörpern in Blut und Extrazellularraum über dem Normwert liegt) geworfen zu werden. Dies gilt vor allem für Personen, die bereits längere Zeit in einem ketogenen Zustand leben und dadurch als keto-adaptiert gelten. Eine ketogene Ernährung führt zu einer verstärkten Produktion von Acetoacetat und ß-hydroxbutyrat während der Verstoffwechslung von freien Fettsäuren in der Leber.

BLUT-HIRN-SCHRANKE

Astrozyten (Sternzellen) im Gehirn sind ebenfalls dazu in der Lage, Ketonkörper aus Fettsäuren herzustellen und diese als Energiequelle für die Blut- Hirn-Schranke zu nutzen. Die Blut-Hirn-Schranke ist die Barriere, die unser Gehirn vom restlichen Kreislauf trennt, um es vor Schadstoffen zu schützen. Die Astrozyten sind ein wichtiger Bestandteil bei der Bildung und Aufrechterhaltung der Blut- Hirn-Schranke. Obwohl das Gehirn mit Glukose hervorragend arbeiten und funktionieren kann, präferieren die Astrozyten Fette als Energiequelle gegenüber Glukose. Daher stellen Ketonkörper bzw. Fettsäuren eine alternative Energiequelle für das Gehirn dar. Da Fettsäuren nicht direkt die Blut-Hirn- Schranke passieren können, müssen diese zuerst von der Leber in Ketonkörper umgewandelt werden. Je nachdem, um welche Fette es sich handelt, kann die Umwandlung schneller oder langsamer vonstattengehen. Vor allem die Umwandlung von der MCT(medium chain triglycerides)-Fettsäure C8 (Caprylsäure) in Ketone vollzieht sich recht schnell in der Leber. Die Zufuhr von C8 durch die Ernährung zum Beispiel in Form von MCT-Öl oder Kokosfett führt zu einem Anstieg an Ketonen im Blut. Das geschieht auch dann, wenn die betreffende Person nicht im Zustand der Ketose ist. Ein stärkerer Anstieg ist nur bei einer direkten Supplementation von exogenen Ketonen zu verzeichnen, da Ketone nicht nur direkt in der Leber und den Astrozyten gebildet werden, sondern mittlerweile auch von außen (exogen) zugeführt werden können.

REDUKTION VON STRESS

Ketonkörper können schnell vom Gehirn verwertet werden und erzeugen mehr ATP als Glukose (+ 27 Prozent). Daher muss festgehalten werden, dass Glukose keinerlei Vorteile gegenüber der Verstoffwechslung von Ketonkörpern im Gehirn hat. Neurologische Störungen werden häufig mit einer Störung der ATP-Produktion, hervorgerufen durch eine mitochondriale Dysfunktion, in Verbindung gebracht. Dadurch lässt sich ebenfalls der positive Effekt der ketogenen Diät auf den Schutz von Mitochondrien und die Vermehrung von ATP erklären. Nach traumatischen Erlebnissen oder bei einer starken Stressbelastung ist der komplette Verzicht auf Kohlenhydrate jedoch problematisch, da eine zu schnelle Reduktion von Kohlenhydraten zu Störungen im Stoffwechsel und zu einer Verschlimmerung der jeweiligen Stresssymptomatik führen kann. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn sich die Person jeweils im Vorfeld ketogen ernährt oder bereits keto-adaptiert ist.

Ketonkörper reduzieren oxidativen Stress und bewirken eine stärkere Glutathionproduktion im Gehirn. Dies führt zu dem bereits erwähnten neuroprotektiven Effekt, da Glutathion neben Melatonin das wichtigste Antioxidans für das Nervensystem ist. Die verstärkte Glutathionproduktion ist vor allem im Hippocampus nachzuweisen. Der Hippocampus ist die zentrale Schaltzentrale im limbischen System und wichtig für die Überführung von Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis. Darüber hinaus ist der Hippocampus auch für unsere Gefühlswelt verantwortlich. Depressionen können zu einem reduzierten Volumen im Hippocampus führen. Chronischer emotionaler Stress und Traumata führen ebenfalls zu einer Reduktion des Volumens im Hippocampus. Dies führt zu einer verminderten Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen Stressoren und negativen emotionalen Ereignissen. Emotionale Stimuli können dadurch schlechter verarbeitet werden.

WIRKMECHANISMEN IM NERVENSYSTEM

Es gibt mittlerweile ausreichend Belege dafür, dass die ketogene Diät für eine bessere Balance zwischen GABA (Gamma-Aminobuttersäure) und Glutamat im Nervensystem sorgt. Glutamat ist der wichtigste erregende Neurotransmitter, während GABA der wichtigste hemmende Neurotransmitter ist. Neuronale Schädigungen, wie sie zum Beispiel durch Epilepsie oder eine Gehirnerschütterung, aber auch durch Depressionen und Burnout ausgelöst werden, sorgen für ein Ungleichgewicht zwischen GABA und Glutamat zu Gunsten von Glutamat. Dies führt zu einer verstärkten neurologischen Belastung und sorgt für eine chronische Übererregung im Nervensystem, da Glutamat in zu hohen Mengen neurotisch wirkt. Dadurch entsteht eine Schädigung der Nervenzellen, da diese dauerhaft überaktiv sind und sich leichter erregen lassen. Die Folge ist eine schnelle Ermüdung der Nervenzellen und eine chronische Überempfindlichkeit in vielen Gehirnarealen, die zum Beispiel zu Lichtsensibilität, Geräuschempfindlichkeit, erhöhter Empfindlichkeit gegenüber Menschenmassen, Kopfschmerzen oder sogar Migräne und Tinnitus führen kann.

SCHUTZ DER NERVENZELLEN

Häufig werden die Betroffenen sehr schnell müde und leiden unter Schlafstörungen und Konzentrationsproblemen. Die ketogene Diät kann für eine Hemmung der Erregung durch eine verstärkte Produktion von GABA sorgen, was zu mehr Inhibition im Nervensystem führt. GABA wirkt dabei jedoch nicht chronisch inhibierend und beeinträchtigt nicht mögliche Aktivitäten von Neuronen. Es schützt primär vor abnormalen Entladungen und einer Hyperpolarisation; dies bewirkt einen direkten Zellschutz der Nervenzellen. Dadurch lassen sich viele Symptome diverser neurologischer Erkrankungen oder Störungen reduzieren. Sogar chronische Schmerzen lassen sich durch eine ketogene Diät reduzieren. Der Wirkmechanismen lässt sich teilweise ebenfalls durch die Modulation von GABA und Glutamat erklären. Durch eine Verstärkung hemmender Einflüsse können nozizeptive (an der Schmerzempfindung beteiligte) Signale reduziert und somit Schmerz weniger stark wahrgenommen werden. Außerdem wirkt die Reduktion der Verstoffwechslung von Glukose analgetisch (schmerzstillend), was zu einer reduzierten Schmerzwahrnehmung führt.

PROTEKTIVE FUNKTION DER KETONE

Eine ketogene Diät wirkt sich nicht nur positiv auf bereits vorliegende Erkrankungen aus – sie hat auch eine schützende Funktion der neuronalen Netzwerke und kann die Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Erkrankung verringern. Dies führt zu einer Gesunderhaltung des Gehirns und zu einer Schutzfunktion vor möglichen neurodegenerativen Prozessen in der Zukunft. Neuronale Netzwerke sind relevant füreine gesunde Gehirnaktivität und die kognitiven Fähigkeiten. Obwohl unser Gehirn mit Glukose funktioniert, zeigen Untersuchungen, dass Glukose zu einer Destabilisierung der neuronalen Netzwerke führt, während Ketone diese Netzwerke stabilisieren. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Ketone aus einer ketogenen Diät oder um eine exogene Zufuhr von Ketonkörpern handelt. Daraus lässt sich ableiten, dass Ketone auch eine protektive Funktion haben, wenn noch keine Schädigungen oder Beeinträchtigungen vorliegen. In Bezug auf den starken Anstieg an Alzheimer und anderer Demenzerkrankungen in den letzten Jahren scheint eine ketogene Diät oder zumindest die Zufuhr von Ketonen eine geeignete Strategie zu sein, um möglichen Erkrankungen vorzubeugen.

ERHÖHTE ATP-PRODUKTION

Der gesundheitsfördernde Effekt durch die ketogene Diät lässt sich u. a. mit einer erhöhten ATP-Produktion erklären. Daraus resultiert eine stärkere Verfügbarkeit von diversen Neurotransmittern, was zur optimalen Funktion des Nervensystems beiträgt. Schlafstörungen, Depressionen und Angststörungen können zu einem stärkeren Verbrauch von Serotonin führen. Durch die neuroprotektive Funktion der ketogenen Diät kann davon ausgegangen werden, dass ein Verbrauch von Serotonin reduziert wird.

ALZHEIMER-PRÄVENTION

Die bereits erwähnten positiven Effekte in Bezug auf den Schutz vor neurodegenerativen Erkrankungen lassen sich durch die Säuberung von Amyloid-Beta erweitern. Amyloid-Beta ist ein Marker für die Plaquebildung im Nervensystem und dadurch auch ein Marker für Alzheimer. Alzheimer ist eine progressive neurodegenerative Erkrankung, die durch einen Verlust kognitiver Fähigkeiten definiert wird. Dabei kommt es zu degenerativen Veränderungen im Cortex, in subkortikalen Bereichen wie den Basalganglien und im limbischen System. Ein wichtiger Mechanismus bei Alzheimer ist die Störung des Glukosestoffwechsels. Daher ist die Alzheimer-Demenz häufig von einer Insulinresistenz im Gehirn begleitet. Glukose kann aufgrund der Resistenz gegenüber Insulin im Gehirn nicht mehr optimal verstoffwechselt werden. Areale, die von dieser Stoffwechselstörung betroffen sind, sind der Temporallappen, der Parietallappen und der präfrontale Cortex. Man kann in diesem Zuge auch von einer Insulinerkrankung sprechen. Aufgrund dieser Glukosestoffwechselstörung scheint die Nutzung von Ketonkörpern als primäre Energiequelle optimal zu sein. In Bezug auf Alzheimer zeigen sich die Defizite im Glukosestoffwechsel bereits Jahre vor den ersten spezifischen Alzheimer-Demenz- Symptomen. Laborwerte wie Nüchternblutzucker, Insulin und HOMA-IR (Homeostasis Model Assessment) eignen sich daher sehr gut, um rechtzeitig mögliche Defizite im Glukosestoffwechsel aufzudecken und so frühzeitig der Entstehung von Alzheimer-Demenz und auch anderen neurodegenerativen Erkrankungen entgegenzuwirken.

FAZIT

Eine ketogene Diät kann präventiv und auch rehabilitativ bei diversen neuronalen Störungen sinnvoll sein. Dabei sollten Kohlenhydrate langsam reduziert werden, um die individuell optimale Menge bestimmen zu können. Da es bei gesundheitlichen Problemen zu schweren Nebenwirkungen kommen kann, sollte die Diät nicht ohne professionelle Beratung durchgeführt werden. Unter anderem berichten vor allem Frauen über Nebenwirkungen in Bezug auf die Funktion der Schilddrüse, hervorgerufen durch eine unsachgemäß durchgeführte ketogene Diät. Es gilt daher im Einzelfall zu prüfen, für wen die Keto-Diät tatsächlich sinnvoll ist. Eine sinnvolle Unterstützung in der Anfangsphase ist die Verwendung von exogenen Ketonen, um mögliche riskante Nebenwirkungen zu vermeiden.

Literatur auf Anfrage beim Autor erhältlich.

PATRICK MEINART

Der Sporttherapeut und Psychologe ist Gründer der RELEASE FITNESS Academy und Ausbilder im Bereich des neurozentrierten Trainings. Er arbeitet an der Schnittstelle zwischen Krafttraining, Therapie und Sport auf Grundlage neurowissenschaftlicher Erkenntnisse.
www.release-fitness.com

 

Foto: Dirima – stock.adobe.com
Foto: Patrick Meinart


Diesen sowie weitere Artikel findest du in der TRAINER Ausgabe 06|2020

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