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Krafttraining

Krafttraining

 

Welche Methoden eignen sich im Groupfitness?

Vor dieser Frage stehen viele Gruppentrainer. Veronika Pfeffer stellt Trainingsmethoden vor, mit denen Kursteilnehmer ihre Fitnessziele am besten erreichen.

Die Teilnehmer in meinen Seminaren frage ich gerne: „Wie viele Wiederholungen macht ihr für den Bauch in einem zehn-minütigen Bauchteil eures Toning-Kurses?“ Man kann es ganz einfach ausrechnen: Bei 128 bpm dauert ein Musikbogen ca. 15 Sekunden, also vier Musikbögen pro Minute und 40 in 10 Minuten. Pro Musikbogen kann man vier Wiederholungen machen, wenn man im halben Tempo arbeitet. Das wären 160 Wiederholungen in zehn Minuten. Da unsere Bauchmuskeln synergistisch arbeiten, ist es auch unerheblich, ob man gerade und schräge Bauchmuskeln abwechselt. Bei 160 Wiederholungen – selbst bei 5 Minuten und entsprechend 80 Wiederholungen – stellt sich mir jedoch die Frage: Ist das noch Krafttraining? Was ist überhaupt „Krafttraining“? „Kraft“ ist eine der fünf sportmotorischen Fähigkeiten. Laut Definition ist Kraft im Sport „die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Systems, durch Innervierung und spezifische Stoffwechselprozesse eine Kontraktion zu erzeugen, um Widerstände zu überwinden, zu halten oder ihnen nachzugeben“.

Die Grenze zwischen Kraft- und Ausdauertraining

100 Prozent ist die maximal realisierbare, höchstmögliche Kraft, die man willkürlich erzeugen kann; man spricht von Maximalkraft (Fmax). Je nachdem, in welchem Intensitätsbereich trainiert wird, spricht man von Maximalkraft oder Hypertrophie-Training bis zum Übergang zur Ausdauer, der Kraftausdauer. Irgendwo ist die Grenze, wo man nach Definition nicht mehr von Krafttraining, sondern von Ausdauertraining spricht. Diese Grenze liegt bei 30 Prozent der Fmax. Im Umkehrschluss ist alles unter 30 Prozent der Fmax kein Krafttraining mehr, sondern (lokales) Aus-dauertraining.
Woher weiß ein Trainer nun, wann seine Teilnehmer bei 30 Prozent der Fmax bzw. darüber oder darunter trainieren? Hier müssen wir uns einer Faustformel bedienen, wohl wissend, dass diese kritisch zu betrachten ist. Auch die Bewegungsgeschwindigkeit ist hier zu berücksichtigen. Mache ich 12 Wiederholungen im single Tempo (4 beats/Wdh.) oder im halben Tempo (8 beats/Wdh.), so hat dies Auswirkung auf die Effizienz und die „Time under Tension“, die Zeit, die der Muskel unter Anspannung steht. Plant man ca. 4–5 Sekunden/Wiederholung, dann trifft Tabelle 1 zu.

WIE VIELE WIEDERHOLUNGEN IM KRAFTTRAINING?

Ausgehend davon, dass 100 Prozent einer Wiederholung entsprechen, kann man folgende Intensitätsabstufung anwenden:
Intensität               Wiederholung
100                          Prozent 1
90                            Prozent 3
80                            Prozent 6
70                            Prozent 9
60                            Prozent 12
50                            Prozent 15
40                            Prozent 20
30                            Prozent >25

Demnach sprechen wir von Krafttraining im Bereich von 30–100 Prozent der Maximalkaft und Wiederholungszahlen von 1 bis 25 pro Satz. Alles, was mehr als 25 Wiederholungen ist, wird nicht mehr als Krafttraining bezeichnet.

Schon allein die Range ist ein großer Bereich beim Krafttraining, der differenziert betrachtet werden muss. Auch im Ausdauertraining haben wir verschiedene Intensitätsbereiche und je nach Zielsetzung wählt man die Grundlagenausdauer 1 im Bereich 60–70 Prozent der HFmax oder die Grundlagenausdauer 2 im Bereich 70–85 Prozent der HFmax oder auch höher oder nied-riger. Im Krafttraining verhält es sich genauso: Je nach Zielset-zung muss der Intensitätsbereich variiert werden. Um die opti-male Intensität zu wählen, muss zunächst das Trainingsziel definiert werden, um dann die passende Krafttrainingsmethode zu bestimmen.

Die Vorteile von Hypertrophie-Training

Mit welcher Krafttrainingsmethode erreichen unsere Teilnehmer am besten ihre Ziele? Trainingseffekte wie Straffen, Abnehmen, Definieren etc. erzielen wir nicht mit Kraftausdauertraining, sondern mit Hypertrophie-Training. Im Kraftausdauerbereich (30–60 Prozent Fmax) werden in erster Linie Stoffwechseleffekte, im höheren Kraftausdauerbereich auch eine verbesserte Versorgung der Gelenkstruktur erreicht. Der muskuläre Stoffwechsel verbessert sich, was sicher für einige Zielsetzungen sinnvoll sein kann, jedoch nicht, wenn das Trainingsziel „Abnehmen“ lautet. Ein Einsteiger kann durchaus noch diesen Trainingseffekt haben, ein Fortgeschrittener wird jedoch keinen sichtbaren und vor allem nachhaltigen Erfolg mehr verzeichnen können.
Für ein nachhaltiges Figurtraining müssen wir im Hypertrophie-Bereich trainieren. Hier erzielen wir eine Muskelquerschnittsvergrößerung und einen Kraftzuwachs, betreiben Osteoporoseprophylaxe und erzielen langfristig einen belastbareren passiven Bewegungsapparat. Muskeln sind unser größtes Stoffwechselorgan; je mehr Muskeln wir haben, desto höher ist der Grundumsatz. Je nach genetischer Veranlagung sind das pro Kilo Muskel zwischen 75 kcal und 150 kcal am Tag. Geht man von durchschnittlich 100 kcal/Tag aus, verbrennt ein zusätzliches Kilo Muskeln im Jahr 36 500 kcal mehr; das entspricht ca. 4 kg Fett – natürlich bei unverändertem Essverhalten. Übertrieben ausgedrückt: Habe ich 10 kg Muskeln mehr, dann könnte ich pro Tag 1 000 kcal mehr zu mir nehmen. Mehr Muskeln bedeuten mehr Fettverbrennung. Wichtig ist jedoch, was verbrannt wird, wenn kein Sport gemacht wird, und nicht, was unsere Mitglieder in den durchschnittlich drei Stunden Sport/Woche verbrennen.

Den Grundumsatz erhalten bzw. erhöhen

Das Hypertrophie-Training ist das nachhaltigste Training, um den Grundumsatz zu erhalten oder sogar zu erhöhen. Der Muskelmassenerhalt ist spätestens ab dem 30. Lebensjahr jedem zu empfehlen, um dem Verlust von Muskelmasse im Alter (Sarko-penie) entgegenzuwirken und gesund und leistungsfähig alt zu werden.
Der Vollständigkeit halber betrachte ich auch den Maximalkraftbereich zwischen 80 Prozent und 100 Prozent der Maximal-kraft: Hier kommt es zu Trainingseffekten wie Kraftzuwachs ohne Muskelmassenzunahme und Steigerung der Schnelligkeit sowie zu hormonellen Auswirkungen. Dieser Bereich ist hochintensiv und setzt ein mehrjähriges Krafttraining voraus, damit der passive Bewegungsapparat keinen Schaden nimmt; daher ist er für den heterogenen Kursbereich nicht geeignet. Hinzu kommt, dass uns im Kursbereich nicht das nötige schwere Equipment zur Verfügung steht.

Eine trainingszielorientierte Toning-Stunde

Ich gebe zu, dass es eine Herausforderung ist, eine Toning-Stunde nach der Hypertrophie-Methode zu gestalten, da sehr viele klassische Bauch-Beine-Po-Übungen dafür nicht infrage kommen und wir oft nicht das passende Equipment im Kursraum haben. Aber es ist möglich! Wenn wir davon ausgehen, dass wir zwischen 8 und 12 Wiederholungen machen und die Muskeln dann entsprechend gereizt und erschöpft sind, fallen viele Übungen weg, die nicht intensiv genug gemacht werden können.
Zum Beispiel die klassische Po-Übung, bei der man im Vierfüßlerstand ein Bein nach hinten oben hebt. Unser Glutaeus ist volumenmäßig der größte Muskel und zudem sehr stark. Mit dieser Übung werden wir ihn nicht einmal annähernd adäquat reizen, wenn wir keine Hilfsmittel verwenden. Bevorzuge bei der Übungsauswahl ca. 8 bis 10 dynamische Übungen, die eine hohe Intensität ermöglichen und große Muskelgruppen ansprechen wie tiefe Squats/Langhantel Squats oder Push-ups. Nutzt immer die ganze Bewegungsamplitude und führt die Übung langsam aus; 8 Beats für eine Wiederholung bei ca. 125–130 bpm. Kündige nicht nur verschiedene Level pro Übung, sondern vor allem die Wiederholungszahl vorher an, damit die Teilnehmer das Level und die Intensität so steuern können, dass sie die Wiederholungen gerade so schaffen. Im Groupfitness trainieren wir nicht bis zur totalen Erschöpfung, aber mehr als 2–3 Wiederholungen sollten die Teilnehmer anschließend nicht mehr schaf-fen. Vergleichen wir dies mit einem Trainingsplan auf der Trainingsfläche, weiß das Mitglied auch, wie viele Wiederholungen es machen soll, und kann das Gewicht/die Intensität entsprechend auswählen. In Toning-Kursen „einfach so draufloszutrai-nieren“ ist weder Trainingsplanung noch Krafttraining! Wenn ein Mitglied nicht weiß, wie viele Push Up der Trainer machen wird, wird es direkt mit der leichteren Variante beginnen oder schnell zu dieser wechseln.

Mehrere Muskelgruppen trainieren

Effizient sind auch Kombiübungen, bei denen mehrere Muskelgruppen involviert sind, wie z. B. die sogenannte Man-Maker-Übung, bei der man mit zwei schweren Kurzhanteln aus dem Stand in die Plank geht, einen Push-up auf den Hanteln abgestützt macht, dann mit jedem Arm einmal rudert, aufsteht und einen Thruster oder zumindest Push Press nach oben macht, bevor man wieder in die Plank geht. Hier wird sogar das Herz-Kreislauf-System mit aktiviert und der Stoffwechsel gepusht. Je nach Level ist es für einige Teilnehmer schon nur mit dem körpereigenen Gewicht eine Hypertrophie-Übung, aber Fortgeschrittene sollten hier schwere Kurzhanteln nehmen. Mit 1–2-kg-Hanteln können wir kein Hypertrophie-Training erreichen. Leider findet man diese Gewichte viel zu häufig im Groupfitnessraum. Die Satzanzahl sollte zwischen 3 und 4 Sätzen liegen. Oft lernen die Teilnehmer im ersten Satz die Übungstechnik erst kennen und können dann ab dem zweiten Satz die Intensität steigern. Auch Langhanteln und Tubes sind bevorzugtes Equipment, mit dem man höhere Intensitäten bei den Übungen erzielen kann. Da uns im Groupfitness auch der Flow wichtig ist, bevorzugen wir Supersätze und wechseln zwei Übungen für verschiedene Muskelgruppen ab.
Ein echtes Krafttraining mit Supersätzen ist auch ein kurzes Training, da wir primär die Kohlenhydratspeicher beanspruchen, die nach ca. 45 Minuten erschöpft sind. Rechnet man Warm-up und Stretching dazu, darf die Kursstunde max. 60 Minuten lang sein – auch in 45-Minuten-Kursen mit einer Hauptteillänge von 30 Minuten kann man hervorragend ein Hypertrophie-Training betreiben.

Fazit

Ein Training ist ein geplanter, zielgerichteter Prozess zur Steigerung der Leistungsfähigkeit. Im Groupfitness wird dieses Prinzip vor allem in Toning-Kursen oft nicht berücksichtigt. Hinterfragt eure Toning-Trainingsplanung kritisch! Werden hier die Belastungsparameter berücksichtigt? Um die Trainingsziele unserer Teilnehmer in den Toning-Kursen effizient zu erreichen, solltet ihr die Hypertrophie-Methode wählen. Die Übungsauswahl sollte so gestaltet sein, dass die Teilnehmer nach 8–12 Wiederholungen eine Pause benötigen, in der wir eine andere Muskelgruppe trainieren. Ein Mehrsatztraining ist für eine heterogene Gruppe sinnvoll. Bindet eure Teilnehmer in die Trainingsplanung mit ein, indem ihr ihnen Level-Varianten und Wiederholungszahlen ankündigt, und erklärt ihnen, dass sie die Übung so anstrengend machen dürfen, dass sie sich auf die „Pause“ freuen. So können wir auch im Groupfitness die Trainingslehre umsetzen, unsere Teilnehmer optimal betreuen und sie darin unterstützen, ihre Trainingsziele zu erreichen.

Fotos: microgen@gmail.com – stock.adobe.com; Thomas Pöter

 

 

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