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Motivational Interviewing

Motivational Interviewing

Wie du die MI-Methode als Schlüssel zum Erfolg nutzt

Mehr Sport treiben, gesünder leben, abnehmen – es gibt viele gute Vorsätze. Meist scheitern sie dann an eingefahrenen Gewohnheiten und Bequemlichkeit. Eine besondere Gesprächsführung ist hier der Schlüssel zum Erfolg und kann Trainern dabei helfen, ihre Kunden zur Eigenmotivation anzuspornen.

Du investierst deine ganze Energie in deine Trainings, bist ein guter Storyteller, holst deine Kunden da ab, wo sie stehen, und bringst sie motiviert durch die Stunde, damit sie das erreichen, was ihr Ziel ist. Doch was passiert, wenn du danach fragst, wie die Umsetzung des Trainings zu Hause lief? Wenn du mal ein paar Tage im Urlaub bist? Wie die aufgestellte Planung zur Ernährungsumstellung umgesetzt wurde? Oder du spürst, dass du in einem Gespräch auf Widerstände stößt?

Motivational Interviewing

Die Kunst der „selbstmotivierenden Gesprächsführung“ – auch „Change Talk“ genannt – stammt aus dem Motivational Interviewing (MI) und ist eine seit Langem etablierte Form der Kommunikation. Diese Art der Gesprächsführung hat genau ein Ziel: in kurzer Zeit Widerstände gegen eine angestrebte Veränderung zu finden, sie aufzulösen, tiefere Motive bewusst zu machen und zu verankern sowie darauf aufbauende Strategien zu entwickeln, die eine direkte Anwendung finden – und diese dann möglichst lange zu etablieren.

Die Methode des MI wurde vor mehr als 30 Jahren im Bereich der Suchtbekämpfung entwickelt und hat sich seitdem in alle Bereiche der Verhaltensänderung verbreitet. Der Hintergrund der Entwicklung war simpel: Wie kann ich Gespräche über Verhaltensänderung effektiver gestalten?

Wie funktioniert MI?

Die theoretische Grundlage zur Verhaltensänderung stellt für MI das Transtheoretische Modell nach Prochaska dar:

Hiernach befinden wir uns je nach Veränderung mal auf der einen, mal auf der anderen Stufe der Leiter und streben nach oben. Trotz Ambivalenzen, Widerständen und Rückfällen ist es immer das Ziel, zu einer gesundheitsförderlichen Aufrechterhaltung des Verhaltens zu gelangen. MI geht davon aus, dass wir mit Ambivalenzen zu kämpfen haben: Auf der einen Seite wünschen wir uns eine positive Veränderung, auf der anderen Seite möchten wir aus verschiedenen Gründen nicht auf ein entgegengesetztes Verhalten verzichten. Z. B. steht der Wunsch, ein paar Kilos zu verlieren, im klaren Kontrast zu ausgelassenen Abenden mit gutem Essen und feinem Wein – auf beides wollen wir nur ungern verzichten.

Wer die motivierende Gesprächsführung anwendet, kann sich mit einem Blindenhund vergleichen: Er führt sein Herrchen behutsam und langsam dahin, wo das Herrchen hinwill – und nicht dorthin, wo er selbst hinmöchte.

Jeder Wunsch nach Veränderung oder Aufrechterhaltung eines Verhaltens ist emotional gesteuert. Unsere Emotionen sind stärker als unsere Ratio. Wer schon einmal versucht hat, etwas nur aus Vernunft zu verändern, kennt den inneren Widerstand, der sich dabei aufbauen kann.

Wie läuft MI ab?

Das Motivational Interviewing verläuft in vier Schritten, denen jeweils unterschiedliche Skills zugrunde liegen. Hat man das Prinzip dieser vier Stufen verstanden, so ist der erste Schritt zur bewussten Führung eines Gesprächsverlaufs getan.

Stufe 1: Eine Verbindung aufbauen

Zu Beginn des Gesprächs geht es nicht nur darum, sich vorzustellen und herauszufinden, worum es dem Klienten geht, sondern auch herauszustellen, dass das Anliegen und der Kunde an sich für dich von Bedeutung sind. Diese Verbindung sollte über den gesamten Gesprächsverlauf aufrechterhalten werden. Hierbei stehen verschiedene Fähigkeiten im Vordergrund: Aktives Zuhören, Akzeptanz und Anteilnahme sind nur einige der Faktoren, die im ersten Moment zählen und die dafür sorgen, dass eine vertrauensvolle und urteilsfreie Atmosphäre geschaffen wird, in der sich das Gegenüber ohne Misstrauen öffnen kann. Ist der Gesprächseinstieg gelungen, kann es dennoch vorkommen, dass sich über den Verlauf des Gesprächs hinweg der Kunde wieder entfernt. Daran können wir schon erkennen, dass die Achtsamkeit in Sprache und Engagement nicht abflachen sollte.

Eine Möglichkeit, wieder die Nähe zum Klienten zu finden, wäre zum Beispiel zu sagen: „Ich habe das Gefühl, dass die Vorschläge, die ich gerade gemacht habe, dir nicht so ganz zusagen. Was sind deine Gedanken dazu?“ Oder: „Ich nehme wahr, dass ich dich hier etwas verloren habe. Was ist passiert? Müssen wir den Gang wechseln, langsamer oder schneller werden? Was denkst du?“ Es sollte dem Interviewer immer ein Anliegen sein, die Verbindung zu seinem Kunden aufrechtzuerhalten.

Stufe 2: Das genaue Anliegen herausarbeiten und fokussieren

Manchmal äußert der Kunde direkt die Motivation zur Veränderung, hat klare Vorstellungen, wie und was er angehen möchte, und möchte sich vor allem rückversichern, dass er mit seinen Plänen nicht auf dem Holzweg ist. Oftmals passiert es aber auch, dass jemand mit dem Wunsch kommt, etwas verändern zu wollen, aber nicht weiß, wo und wie er anfangen kann und sollte. Manchmal ist es nur ein Gefühl oder eine Vision und der Weg ist noch völlig unklar. Hier ist Zeit gefragt, um aufzuklären, welche Schritte und Konsequenzen eine solche Verhaltensveränderung bedeutet. Dem sollte allerdings immer die Frage vorausgehen, was derjenige schon erfolgreich oder erfolglos versucht und umgesetzt hat – um erstens nicht Dinge doppelt zu erzählen und zweitens an schon gemachte Erfahrungen anzuknüpfen.

Ist dem Klienten erst einmal bewusst, was der Weg zum Sixpack beinhaltet – z. B. ein gutes Erholungsmanagement für die notwendige Energie, Verletzungen in den Griff bekommen, intensives Training, Kochskills auf ein neues Level heben und die Ernährung umstellen –, dann kann er selbst Verantwortung für den Prozess übernehmen. Die Wahl zwischen den Optionen ist für viele exakt der richtige Weg, um das Commitment zu steigern und den Kunden im Prozess voll mit an Bord zu haben. Es ist wichtig, die richtige Anzahl an Optionen zu wählen. Sie sollte den Kunden nicht erschlagen, gleichzeitig aber auch nicht zu klein sein, um ihn in eine Richtung zu zwingen, die er (noch) nicht einschlagen möchte. Ist dieses Feld geebnet, geht es zum nächsten Schritt.

Stufe 3: Die Motivation zur Veränderung herauskitzeln

Dieser Schritt ist einer der entscheidendsten und sollte deine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Wie anfangs erwähnt, ist die Motivation zur Veränderung vor allem ein emotionaler Prozess. Es geht also darum, ein Gefühl – das positive Gefühl, etwas verändern zu wollen – zu erwecken. Hier kommen die beiden Begriffe „Change Talk“ (CT; Äußerung der Bereitschaft zur Veränderung) und „Sustain Talk“ (ST; Äußerung des Widerstandes gegenüber Veränderung) zum Tragen. Eine beispielhafte Äußerung wäre etwa: „Ich spüre, dass es Zeit ist, die Dinge jetzt wirklich anzugehen. Aber es fällt mir einfach schwer, so diszipliniert zu bleiben.“ Im ersten Teil spricht der Klient von der möglichen Bereitschaft (CT) und im zweiten Teil vom Widerstand gegenüber der Veränderung (ST). Die Aufgabe des Interviewers ist es nun, den Satz in seiner Antwort umzudrehen. Etwa so: „Es ist schwer, diszipliniert zu bleiben, ja – das kann ich gut nachvollziehen. Aber du hast davon gesprochen, dass es jetzt wirklich Zeit ist, dich zu verändern – woran spürst du das und was macht das mit dir? Wo könnte diese Veränderung hinführen?“ Der Interviewer wertschätzt die Schwierigkeiten des anderen, ohne tiefer darauf einzugehen. Worauf er jedoch besonders sein Augenmerk legt, ist die kurze Äußerung der Motivation zur Veränderung. Hier forscht er ohne Druck und behutsam nach. Ziel dieser Intervention ist es, so viele emotionale Äußerungen wie möglich zu erwecken, die Gründe für eine Veränderung des Kunden an die Oberfläche zu bringen und zu verstärken, ohne selbst welche zu liefern. Der dritte Schritt ist dann erfolgreich, wenn der Klient 1. die Notwendigkeit der Veränderung einsieht, 2. den Wunsch danach hat, 3. rationale, gute Gründe dafürsprechen und 4. er den festen Willen hat, die Veränderung anzugehen. Sind diese vier Kriterien erfüllt, geht es zum nächsten Schritt.

Stufe 4: Einen Plan erstellen

Hier schlagen Trainerherzen höher – jetzt geht es an die Umsetzung. Zu oft jedoch wird dieser Schritt vorgezogen. Manchmal wird Schritt 3 ausgelassen, im schlimmsten Fall sogar Schritt Nummer 2. Sind diese Stufen aber erfolgreich durchlaufen, können wir da anknüpfen, wo der Klient schon einmal gestartet ist. Bevor es jedoch jetzt an reichlich Tipps zur Umsetzung geht, empfiehlt auch hier das MI eine bestimmte Vorgehensweise. „Entlocken – Informationen geben – Entlocken“ nennt sich dieses Prinzip.

Aussagen wie: „Okay, ich habe verstanden, was du möchtest. Als Erstes müssen wir dafür sorgen, dass du eine Stunde am Tag Zeit hast zu trainieren, dann einen Kochkurs machst und als Nächstes du diesen Sleeptracker kaufst, damit wir dein Schlafverhalten auswerten können“, sind absolut schlüssig und der Plan dahinter macht Sinn – möglicherweise stoßen sie aber den Klienten vor den Kopf und sorgen für Widerstand. Nach dem Grundsatz des MI ist die folgende Aussage erfolgversprechender, da sie den Klienten einbindet und ihn selbst entscheiden lässt: „Du hast mir davon erzählt, dass du gerade versuchst, gesünder zu kochen, es dir aber noch an Ideen und Fähigkeiten mangelt. Hast du Interesse daran, dass ich dir ein paar Vorschläge mache, wie du dich darin weiterentwickeln kannst?“ (Entlocken) Antwort des Klienten: „Ja gerne. Was schlägst du vor? Ich habe schon einiges ausprobiert. Ich habe vor allem keine Zeit.“ Antwort: „Ich verstehe. Kochen kann zeitintensiv werden, ja. Ich habe hier ein Kochbuch mit gesunden Schnellrezepten, vielleicht hilft dir das. Oder hast du schon einmal über einen Thermomix nachgedacht? Er kann dir vieles abnehmen. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass ich mal bei dir vorbeischaue und wir zwei Stunden deine Küche optimieren, sodass du alles vor Ort hast und perfekt organisiert loslegen kannst.“ (Informationen geben) „Kannst du dir eine dieser Optionen vorstellen? Welche würde dir am meisten zusagen?“ (Entlocken)

Hier geht es viel um Autonomie und Verantwortung. Der Kunde ist Herr seines Lebens und muss selbst seine Entscheidungen treffen. Die Motivation des Klienten und die Erfolgschance der Intervention steigen jedoch enorm, sobald diese Form der Vorgehensweise gewählt wird.

Fazit

Motivational Interviewing ist eine der am besten etablierten Formen der Gesprächsführung im Gesundheitssektor und hat nicht ohne Grund den Weg in die Welt des Ernährungs- und Bewegungscoachings gefunden. Als Grundlage dieses Artikels diente mir unter anderem das Buch „Motivational Interviewing in Nutrition and Fitness“ von Dawn Clifford und Laura Curtis. Es lohnt sich, etwas tiefer in diese Materie einzusteigen, solltest du Interesse daran haben, deine Fähigkeiten der motivationspsychologischen Gesprächsführung weiter zu entwickeln. Denn genau hier liegt der Grundstein für einen erfolgreichen Coachingprozess. Alle Informationen bringen aber nichts, wenn sie nicht einen Weg in die Köpfe und den Alltag unserer Kunden schaffen.

– Yannik Lengenberg –

 


Foto: Reddogs – stock.adobe.com


Diesen sowie weitere Artikel findest du in der TRAINER Ausgabe 01|2021

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