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Nur weil es alle sagen, wird es nicht richtig(er)

Nur weil es alle sagen, wird es nicht richtig(er)

Falschaussagen

Wer kennt sie nicht – die typischen Fitnessfloskeln: die „hüftbreite Position beim Squat“, einen „geraden Rücken machen“ oder auch der „Fettverbrennungspuls“, der als Begriff so langsam in Rente geschickt werden sollte. Zwar handelt es sich hierbei um Aussagen, die sicherlich von vielen Trainern schon des Öfteren gemacht wurden – faktisch sind diese jedoch falsch. Was dahinter steckt, erklärt Buchautor Peter Regli.

Wer mit Floskeln Kompetenz beweisen will, liegt häufig neben der Wahrheit. Und Wahrheit ist das höchste Gut in der Zusammenarbeit von Fitnesstrainern und ihren Kunden. Einige solcher Floskeln sind Gegenstand dieses Artikels, der keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

 

Beinbeuger und Beinstrecker:

Meine liebste Ungereimtheit gleich zu Beginn und gleichzeitig die, die mich am meisten nervt. Funktionell betrachtet, gibt es keine Beinbeuger und keine Beinstrecker – korrekt sind Kniebeuger und Kniestrecker. Muskeln bewegen Gelenke und ein „Bein“ ist kein Gelenk. Dass die Industrie diesen Fehler noch verstärkt und die entsprechenden Geräte falsch beschriftet, macht es wohl unmöglich, diesen Fauxpas zu korrigieren.

 

Einen geraden Rücken machen:

Eine Aufforderung vieler Trainer an ihre Kunden ist, bei gewissen Übungen einen geraden Rücken zu machen oder den Rücken an das Polster oder auf den Boden zu drücken, was faktisch das Gleiche bewirkt. Hat sich da mal jemand die Konsequenzen vor Augen geführt? Die Belastung auf die passiven Strukturen ist ungleich höher als bei einer physiologischen Position der Wirbelsäule. Warum wohl ist die Wirbelsäule als Doppel-S-Form konstruiert? Wohl kaum, um diese Krümmungen beim Training aufzulösen. Diese Doppel-S-Form ist im Training zu halten, zu stabilisieren.

Wenn das nicht möglich ist, sind zwei Handlungsoptionen angebracht: Entweder ich gebe dem Kunden eine einfachere Übung oder ich sorge beim Kunden dafür, dass er diese physiologische Position sauber stabilisieren kann, indem ich ihm genau sage, was ich an Bewegungsqualität von ihm erwarte.

 

Hüftbreit stehen:

Eine Aufforderung, die im Kursraum oft zu hören ist. Hüftbreit heißt, bei aufrechter Haltung so zu stehen, dass eine Faust zwischen meine beiden Füße passt. Stelle ich mich nach dem entsprechenden Aufruf im Kursraum so hin, bin ich in der Regel der Einzige, der so steht – weil es eben nicht so gemeint ist. Der Kursleiter steht dann schulterbreit vor der Klasse, was eben nicht dasselbe ist. Eine korrekte Anweisung ist ein Qualitätskriterium für Kursleitende und Trainer auf der Fläche.

Hüftbein stehen

Eine beliebte Aussage im Groupfitness: hüftbreite Stellung einnehmen!
Foto: Lee Torrens/shutterstock.com

Bizepstraining:

Davon sprechen vor allem diejenigen unter uns, die auf die Körperkomposition achten oder diese verändern bzw. aufbauen wollen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Nur stellt sich die Frage, ob wir alle dasselbe darunter verstehen. Bizepstraining kann nämlich auch ein Oberschenkeltraining sein. Der Musculus biceps femoris verlangt, so denke ich, nach grundsätzlich anderen Übungen wie der Musculus biceps brachii. Auch hier gilt: Die Aussage bzw. die Anweisung muss korrekt sein. Sprechen wir vom Arm- beziehungsweise Beinbizeps, wissen beide Seiten, was gemeint ist und was trainiert wird.

 

Bei uns trainieren Sie Kraft und Kondition.

Der Begriff „Kraft“ kann wahlweise auch durch Ausdauer ersetzt werden. Kondition ist die individuelle Leistungsfähigkeit eines Menschen. Diese besteht aus dem Zusammenspiel von Kraft, Ausdauer, Koordination, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Nimmt man es genau, würde es ausreichen, die Kondition zu trainieren, denn die Kraft ist eben schon
explizit ein integrierter Bestandteil der Kondition.

 



 

Der Fettverbrennungspuls:

Ein leidiges Thema, das nicht so leicht aus der Welt zu schaffen ist. Es gibt einen Fettstoffwechsel. Der optimale Wirkungsgrad liegt hier bei rund 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz. So weit, so gut. Dieser Fettstoffwechsel beginnt schon nach rund 60 bis 90 Sekunden, wenn wir in einem Sauerstoffgleichgewicht angekommen sind – in welchem Umfang ist letztlich von der Trainingsintensität abhängig.

Je langsamer, umso höher der Anteil des Fettstoffwechsels. Dieser läuft also immer, die Frage ist nur, welchen prozentualen Anteil er zur gesamten Energiebereitstellung beiträgt. Es ist an der Zeit, den Begriff Fettverbrennungspuls in Rente zu schicken!

 

Anaerobe Schwelle von 4 mmol:

Der Begriff suggeriert eine fixe Trennlinie zwischen dem aeroben und anaeroben Stoffwechsel. In dem Sinne, dass oberhalb nur anaerober Stoffwechsel und unterhalb nur aerober Stoffwechsel stattfindet. Das ist in der Praxis aber nicht so. Es gibt einen aerob-anaeroben Übergangsbereich, der aber nicht auf das Komma genau festgesetzt werden kann und schon gar nicht an diese 4 mmol Laktatkonzentration im Blut. Hier scheint es mir, dass im Bereich Testing in der Fitnessbranche noch einiges an Potenzial liegt.

 

Woher der Muskelkater stammt:

Dass Muskelkater nichts mit einer Übersäuerung der Muskulatur zu tun hat, ist mittlerweile angekommen. Es sind feine Haarrisse im Sarkomer (Z-Scheiben), welche vorwiegend nach exzentrischen, also negativen Belastungen entstehen. Der Schmerz aber, so sagen uns die Faszienforscher, kommt vom Bindegewebe und nicht von den Mikrotraumata in den Z-Scheiben. Was sich damit verändert? Nichts Grundlegendes, weil die Regeneration gleich gehandhabt wird.

 

Den vollständigen Artikel „Falschaussagen“ gibt es im Trainer-Magazin 1/16, geschrieben von
Peter Regli | Autor, Dozent, Referent und Moderator für Trainingslehre und Anatomie an diversen Ausbildungsinstitutionen und Workshopleiter. Peter Regli bietet Inhouse-Schulungen zu individuellen Themen an und begleitet Firmen beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Kontakt: pr@peter-regli.ch oder www.peter-regli.ch

 

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