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Personalisierte Ernährung

Personalisierte Ernährung

Zwei grundlegende Assessments

Unser zentrales Nervensystem benötigt für alle Anpassungsvorgänge Energie. Defizite in diesen Bereichen können sich negativ auf Trainingserfolge auswirken. Yassin Jebrini und Tim Jost stellen Assessments vor, mit denen du deine optimale Ernährungsform herausfinden kannst.

Suboptimale Atemmuster, Resorptionsstörungen, Verdauungsprobleme und eine über einen längeren Zeitraum bestehende einseitige Ernährung können die Anpassungsdynamik auf neuroplastischer Ebene erheblich einschränken. Im Alltag merken deine Kunden davon wenig, weil sie Routineaufgaben nicht so stark beanspruchen. Doch sobald es um Bewegungsoptimierung und Leistungssteigerung geht, mindern eine nicht optimale Atemtechnik und Mängel in der Ernährungsweise die Fortschritte erheblich.

ENERGIEBEDARF STEIGT

Viele Athleten kämpfen mit diesen Problemen, ohne davon zu wissen. Sie trainieren beharrlich, doch verbessern sich nicht in dem Maße, wie sie eigentlich könnten. Trotz bester Betreuung und ausgefeilter Trainingspläne erreichen sie ihre Ziele spät oder nie. Umso gravierender erscheint die Tatsache, dass der Energiebedarf mit dem Schwierigkeitsgrad der Stimuli steigt. Je anspruchsvoller also eine neue Bewegung ist – konditionell oder koordinativ –, desto qualitativ bessere Reserven müssen wir unserem Körper zur Verfügung stellen. Ähnlich wie bei einem Bauprojekt, das bei steigender Größe und Komplexität auch höhere Anforderungen an das zu verwendende Material stellt, so fordert auch unser Körper bei steigender Belastung ein bessere Ernährung.
Als Trainer müssen wir den großen Einfluss, den die Art der Nahrung und die Atmung auf die Leistungsfähigkeit haben, stets im Blick haben. In diesem Artikel geht es vordergründig um den Ernährungspart.

KEINE EINHEITLICHEN RICHTLINIEN

Bis heute streiten Wissenschaftler und Pragmatiker beim Thema „Ernährung“ nicht nur über Details, sondern über Grundsätzliches. Die Ernährungspyramide wird alle paar Jahre wieder über den Haufen geworfen und neu aufgebaut. Viel Gemüse zu essen ist wohl der einzige Ratschlag, der bislang jede Ernährungstheorie überlebt hat. Über alles andere – ob viel oder wenig Fleisch, ob Low Carb oder High Carb, ob wenig oder viel Fett – wird immer wieder heftig diskutiert.
Wir sind nicht auf eine bestimmte Ernährungsweise festgelegt, da der Mensch metabolisch flexibel ist. Anders hätte er unter den unterschiedlichen Anforderungen in der Evolutionsgeschichte nicht überleben können. Daher können Nahrungsmittel oder Makronährstoffe auch nicht grundsätzlich als schlecht oder gut deklariert werden. Was evolutionsgeschichtlich gesehen aber neu ist, sind Supermärkte mit einer riesigen Auswahl an Lebensmitteln. Je klüger wir uns in der Auswahl anstellen, desto gesünder können wir uns ernähren. Doch wie treffen wir die beste Entscheidung?

INDIVIDUELLE REAKTIONEN

Der eine mag Brokkoli, der andere lieber Rosenkohl und der Dritte bevorzugt Blumenkohl – die Nahrungsvorlieben der Menschen sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Auch gibt es inzwischen zahlreiche Studien, die zeigen, dass sich die Blutzuckerreaktionen unterschiedlicher Menschen auf ein und dasselbe Lebensmittel stark unterscheiden. Wenn du und dein Freund euch nach dem Training den gleichen Shake gönnt, kann es bei euch zu jeweil komplett unterschiedlichen Blutzuckerreaktionen kommen. Wirklich plausible Leitlinien zur gesunden Ernährung können also kaum gegeben werden, ohne die individuellen Reaktionen zu kennen. U. a. aus diesem Grund empfehlen bspw. Wissenschaftler des Weizmann Institutes of Science, die in diesem Bereich geforscht haben, eine personalisierte Ernährung. Bei dieser sollte jeder testen und evaluieren, welche Nahrungsmittel bei ihm persönlich gut funktionieren. Dabei sollte grundsätzlich darauf geachtet werden, dass die Nahrungsmittel die Darmgesundheit und die Energieproduktion fördern.

TEST DER GLUKOSEREAKTION

Ein bewährtes Tool zur Bewertung der Verträglichkeit eines Nahrungsmittels auf der Ebene des Blutzuckers ist das Mahlzeiten-Assessment. Mit dieser Methode kann die individuelle Glukosereaktion auf verschiedene Lebensmittel getestet werden. Dabei gibt es zwei Optionen: die Blutzuckermessung anhand eines Bluttropfens am Finger oder mit einem Blutzuckersensor, der den Blutzucker im Zellzwischenwasser des Unterhautfettgewebes kontinuierlich misst.
Die Veränderungen des Blutzuckerspiegels sind dabei immer vor dem Hintergrund unserer aktuellen Situation zu bewerten. Zur Vermeidung von Tagestiefs und Leistungseinbußen nach dem Essen sollten wir nach Nahrungsmitteln und Nahrungsmittelkombinationen streben, die unseren Blutzuckerspiegel möglichst konstant halten. Wollen wir allerdings die Zeit nach intensiven Trainingsbelastungen nutzen, um unsere Energiespeicher schnell wieder aufzufüllen und aufbauende Prozesse einzuleiten, empfehlen sich Lebensmittel, die zu einem schnellen Anstieg des Blutzuckerspiegels führen.

HERZFREQUENZ UND TEMPERATUR

Eine weitere Möglichkeit, um die individuelle Eignung von bestimmten Lebensmitteln zu testen, ist die Überprüfung der Herzfrequenz und der Körpertemperatur. Diese Werte werden fünf Minuten vor und fünfzehn Minuten nach der Einnahme der Mahlzeit gemessen und dann miteinander verglichen. Dabei ist es wichtig, den Körper vor der jeweiligen Messung zur Ruhe kommen zu lassen, um einen aussagefähigen Vergleich haben zu können. Steigen sowohl die Körpertemperatur als auch die Herzfrequenz nach Einnahme der Mahlzeit, kann von einer guten Verträglichkeit der konsumierten Nahrungsmittel ausgegangen werden. Ein Indiz für diese Annahme liefert die Thermogenese, also die Wärmeerzeugung, die im Rahmen der Verdauung und Verstoffwechslung von Nährstoffen auftritt.

Steigt die Körpertemperatur, während die Herzfrequenz fällt, deutet dies auf einen Anstieg der Cortisolwerte als Reaktion auf die Nahrungszufuhr hin. Dieses Stresshormon wird ausgeschüttet, um den nach einer Nahrungsaufnahme nicht ausreichend ansteigenden Blutzuckerspiegel auf einem entsprechend hohen Niveau zu halten. In diesem Fall findet keine optimale Verwertung des konsumierten Nahrungsmittels statt. Cortisol agiert dabei als Gegenspieler von Insulin, dem einzigen Hormon, das den Blutzucker senkt. Diese Konstellation aus hohen Cortisolwerten und geringer Insulinwirkung führt zu einer Reduktion der Herzfrequenz.
Normalerweise reduziert die Nahrungsaufnahme die Ausschüttung von Stresshormonen durch die Erhöhung des Blutzuckerspiegels. Der Blutzuckerspiegel sollte zum Zeitpunkt nach der Nahrungsaufnahme nicht zusätzlich durch Stresshormone hochgehalten werden müssen, da ja Energie zugeführt wurde. Die übermäßige Ausschüttung von Adrenalin deutet also auf eine weitere Stressreaktion hin. In diesem Fall steigt die Herzfrequenz an. Gleichzeitig führt die Stressreaktion bei der Nahrungsaufnahme bei einer normalen Insulinausschüttung auch zu einer Reduktion der Körpertemperatur.
In den letzten beiden beschriebenen Fällen liegt eine Cortisol- oder Adrenalinreaktion im Messergebnis vor, die auf ein hohes Stresslevel für den Körper hindeutet. Ebenso deutet eine gesunkene Herzfrequenz bei gleichzeitigem Abfall der Körpertemperatur auf eine suboptimale Verstoffwechslung von Nahrungsmitteln hin.

NEUE KOMBINATIONEN

Im Rahmen einer optimalen Verstoffwechslung und Energieversorgung streben wir bei unserer Assessments also immer die Auswahl von Nahrungsmitteln an, auf die wir mit einem leichten Anstieg der Körpertemperatur und der Herzfrequenz reagieren. Es empfiehlt sich, alle Nahrungsmittel, auf die wir anders reagieren, in anderer Kombination erneut zu testen oder für einige Zeit durch andere zu ersetzen. Zusätzlich empfiehlt es sich, auf solche mit einer möglichst hohen Nährstoffdichte zu setzen, um den Körper mit möglichst vielen essenziellen Nährstoffen zu versorgen. Zusätzlich sollte unser subjektives Gefühl in die Gesamtbewertung einfließen. Ziel muss es sein, den Treibstoff zu identifizieren, der uns fördert und nicht ausbremst. Nahrung soll uns nähren und die Energieproduktion fördern. Nur so können Anpassungsdefizite, Müdigkeit und Abgeschlagenheit dauerhaft vermieden werden.

FAZIT

Jeder Sportler sollte seinem Körper eine ausreichende Energiegrundlage für nachhaltige Trainingsanpassungen zur Verfügung stellen. Dabei kann gerade nach Krafttrainingseinheiten oder harten Belastungsspitzen der Verzehr von Nahrungsmitteln, die den Blutzucker erhöhen, sinnvoll sein, da diese u. a. zu einer erhöhten Insulinausschüttung führen, die wiederum anabole Prozesse im Körper beschleunigt. Im Alltag versuchen wir hingegen, starke Blutzuckerschwankungen zu vermeiden, um daraus resultierende Leistungs- und Konzentrationsschwierigkeiten zu verhindern. Außerdem stehen starke Blutzuckerschwankungen dem Ziel der Reduzierung des Körperfettanteils im Weg, da die mit dem steigenden Blutzuckerspiegel einhergehende Insulinausschüttung u. a. den Fettabbau blockiert.
Nur weil ein Nahrungsmittel mehr komplexe Bestandteile enthält, bedeutet dies nicht, dass dadurch der Blutzuckerspiegel langsamer ansteigt oder ein Lebensmittel für eine Person besonders gesund ist! Wenn wir Nahrungsmittel konsumieren wollen, die zu hohen Blutzuckerspiegeln oder Stressreaktionen führen, empfiehlt es sich, diese Nahrungsmittel mit anderen zu ergänzen und als Kombination bezüglich der Verträglichkeit zu testen. Hier ergeben sich teilweise Möglichkeiten, mehr Gewinn aus einem Nahrungsmittel zu ziehen, das in anderer Kombination zu keiner guten Reaktion geführt hat.
Um eine gesundheitsfördernde Ernährungsform für uns zu finden, müssen wir unsere Ernährung an unseren individuellen Bedürfnissen und Reaktionen ausrichten – alles andere ist wie ein Blindflug. Ein striktes Verfolgen allgemeingültiger Ernährungsregeln, Dogmen oder Versprechungen der Nahrungsmittelindustrie ist zwar leider gängige Praxis, aber keine zielführende Strategie.


YASSIN JEBRINI
Der Sportwissenschaftler M.A. und Z-Health-Absolvent arbeitet als Neuroathletiktrainer mit Profi- und Freizeitsportlern. Zusätzlich ist er als Referent tätig und bildet Trainer in Neuroathletik aus.
www.jebrini-training.de

TIM JOST
Der Masterstudent an der Deutschen Sporthochschule Köln ist als Buchautor tätig und schreibt für Jebrini Training den Newsletter und die Beiträge auf den Social- Media-Kanälen.
www.jebrini-training.de


ONLINE-SEMINAR
Im Seminar „Neuroathletische Strategien zur Atmung und Ernährung“ werden Assessments zur individuellen Reaktion und Verträglichkeit von Nahrungsmitteln erklärt und gezielte Atemübungen vorgestellt. Das zweieinhalbstündige Seminar kostet aktuell 119 Euro.
www.jebrini-training.de/online-seminare


Foto: lukszczepanski – stock.adobe.com


Diesen sowie weitere Artikel findest du in der TRAINER Ausgabe 01|2021

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