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Sport und Immunsystem

Sport und Immunsystem

Wie die Muskulatur oder das Herz-Kreislauf-System, so steigert auch das Immunsystem grundsätzlich seine Aktivität und Effizienz mit jeder Trainingseinheit. Doch kommt es dabei auf die richtige Intensität an: Moderater Sport aktiviert die Abwehr, zu wenig oder zu viel davon bewirkt das Gegenteil. Nicht alle wissen, dass in ihrem Körper Hunderte Milliarden beweglicher Abwehrzellen Tag und Nacht aktiv sind. Diese scannen den Organismus ständig auf Fremdkörper, kommunizieren, eilen eindringenden Mikroorganismen entgegen, lösen Entzündungen aus und fressen Eindringlinge. Manche bilden auch Antikörper – eigens für einen einzigen Feind entwickelte Klebeeiweiße, deren Bauplan sie über Jahrzehnte speichern. Somit weiß das Immunsystem mehr über unseren Körper und seine Umwelt als wir selbst. Seine Aufgabe liegt in der ständigen Abwehr und Beseitigung von Viren, Bakterien, Pilzen, Parasiten und körperfremden Stoffen.

Zu wenig oder zu viel Training schwächt
Doch wie gründlich die Abwehr ihre Aufgaben erledigt, hängt wesentlich mit der Lebensweise zusammen. So zählt sportliche Bewegung zu den wirksamsten aller Immunstimulanzien – allerdings nur dann, wenn man es nicht übertreibt: Studienergebnisse zeigen eine verbesserte Immunabwehr überwiegend nach moderaten und regelmäßigen Ausdauerbelastungen. Hochintensive Trainingseinheiten mit kurzen Regenerationszeiten sowie körperliche Inaktivität können hingegen das Immunsystem schwächen. Deshalb kommt es im Sport auf die richtige Trainingsplanung an. Unser hochkomplexes Immunsystem befindet sich ständig in Alarmbereitschaft, um eindringende Mikroorganismen zu bekämpfen, Fremdstoffe zu entsorgen und Heilungsprozesse einzuleiten. Bei der Immunantwort auf einen Krankheitserreger arbeiten dazu die verschiedenen weißen Blutkörperchen (Leukozyten), lösliche Eiweiße und die lymphatischen Organe wie Milz und Lymphknoten eng zusammen.

Spezifische und unspezifische Abwehr
Funktionell lässt sich das Immunsystem in einen unspezifischen und einen spezifischen Anteil unterteilen, die zur Beseitigung von Krankheitserregern eng miteinander kommunizieren. Das unspezifische Immunsystem ist angeboren und stellt die erste Verteidigungslinie dar. Die Immunabwehr erfolgt dabei breit gefächert innerhalb weniger Sekunden bis Stunden durch verschiedene Immunzellen wie:

  • Makrophagen – große, bewegliche Fresszellen in Geweben,
  • Granulozyten als Hauptteil der Leukozyten,
  • Monozyten – Fresszellen des Blutes,
  • Natürliche Killerzellen – spezielle Lymphozyten, die vor allem virusinfizierte Zellen und Krebszellen abtöten,
  • im Blut gelöste oder zellgebundene Abwehreiweiße, die zusammen das Komplementsystem bilden.

Reicht die unspezifische Abwehr zur Vernichtung der Krankheitserreger nicht aus, wird das spezifische Immunsystem aktiv. Man spricht auch von erworbener Immunabwehr, da sie sich – vor allem in den ersten Lebensjahren – durch Erregerkontakt entwickelt und trainiert wird. In diesem Rahmen vernichten speziell auf den Krankheitserreger ausgerichtete Immunzellen (T- und B-Lymphozyten) den Eindringling nach mehreren Tagen. Meist geschehen diese Reaktionen ständig und unbemerkt. Nur selten äußern sie sich symptomatisch – dann meist als lokale oder systemische Entzündungen. Das Bindeglied zwischen dem unspezifischen und dem spezifischen Immunsystem sind die Zytokine. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Eiweißen, die immunregulatorische Eigenschaften besitzen und die Immunantwort als Entzündungsbotenstoffe koordinieren. So setzt ein Teil der Zytokine eine Entzündung in Gang, während andere diese wieder beenden.

Körperliches Training mobilisiert alle Immunzellen
Jede körperliche Belastung stellt für unseren Organismus zunächst erst einmal eine Stresssituation dar. Diese beantwortet der Körper mehrgleisig zum Beispiel über das Herz-Kreislauf-, das Nerven-, das Hormon- und das Immunsystem. So konnte in zahlreichen sportimmunologischen Studien nachgewiesen werden, dass körperliches Training Immunzellen des unspezifischen und des spezifischen Immunsystems mobilisiert. Dabei stehen Energiestoffwechsel und hormonelle Reaktionen in enger Wechselwirkung. Sofort mit Trainingsbeginn und auch während der Belastung kommt es durch die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin zu einer Erhöhung des Herzminutenvolumens und des Blutdrucks; dies stellt die Substrat- und Energieversorgung der arbeitenden Muskulatur sicher. Zudem lassen sich – abhängig von der Trainingsintensität – im Blut Entzündungsparameter feststellen. In der Folge vermehren sich Immunzellen (Leukozytose) einschließlich spezifischer Zytokine. Den stärksten Anstieg verzeichnen die Natürlichen Killerzellen – vermutlich einer der Gründe für die tumorpräventive Wirkung des Ausdauersports. Aber auch Granulozyten, Monozyten, T- und B-Lymphozyten werden durch Ausdauertraining mobilisiert. Bei moderaten Trainingsbelastungen fällt die Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin mit dem Trainingsende deutlich ab. Daher zeigt sich nach der Belastung auch eine schnelle Abnahme der Leukozytenzahl innerhalb der nächsten 24 Stunden auf das Ausgangsniveau. Die Immunabwehr arbeitet somit nach moderaten Trainingsintensitäten uneingeschränkt weiter; durch die Vitalisierung meist sogar effizienter.

„Open Window“ für Erreger nach intensivem Training
Nach sehr intensiven, aber auch längeren Trainingseinheiten kann die Abwehrfunktion des Immunsystems hingegen herabgesetzt sein. So liegt die Leukozytenzahl bis zu 72 Stunden nach der Belastung noch weit unter dem Ausgangsniveau. In diesem Zeitraum können Viren und Bakterien wie durch ein offenes Fenster in den Organismus eindringen, da die Abwehrfunktion stark herabgesetzt ist. Diese vorübergehend verminderte Abwehrfähigkeit wird als Open-Window-Phänomen bezeichnet. Denn die Abwehrzellen sind zu sehr mit trainingsinduzierten Entzündungsprozessen wie muskulären Mikrotraumen beschäftigt, um unvermindert Infektionserreger abzuwehren. Dies führt nach intensiven Trainingseinheiten zu einer Überforderung des Immunsystems und einem deutlich erhöhten Infektionsrisiko besonders der oberen Atemwege. Somit kann das Training – abhängig von seiner Intensität, Dauer und Häufigkeit – das Immunsystem stärken oder schwächen.

Den ganzen Artikel findet ihr in der TRAINER Ausgabe 2017/1.

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