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Tabuthema „Beckenboden“

Tabuthema „Beckenboden“

Trotz aller Offenheit in unserer Gesellschaft ist das Thema „Beckenboden“ bei vielen Trainierenden immer noch ein Tabu. Dabei ist ein Training dieser „geheimnisvollen“ Muskulatur bei Frauen und Männern jeglichen Alters wichtig, da es vor zahlreichen Beschwerden wie Rückenschmerzen, sexuellen Problemen und Inkontinenz schützt.
Der Beckenboden besteht aus drei Schichten, die ein hochkomplexes Geflecht aus Muskeln bilden und vom Unterbauch bis hin zum After verlaufen. Diese so wichtige Muskulatur kann – von der Seite betrachtet – als Hängematte beschrieben werden, die zwischen Steißbein, Schambein und den beiden Sitzhöckern angebracht ist. Sie beinhaltet viele flächige Muskeln, die in drei Etagen angeordnet sind: Die erste Schicht bilden die Schließ- & Schwellkörpermuskeln. Sie sorgen für Stuhl- und Harnkontinenz und haben eine enorme Bedeutung beim Geschlechtsverkehr. Wandern wir eine Etage höher, landen wir in der zweiten Schicht, die verhindert, dass die inneren Organe nach unten wegkippen. Sowohl die erste als auch die zweite Muskelschicht kann willkürlich angespannt und bewusst aktiviert werden, denn sie leisten einen großen Beitrag, um die Lage der Organe zu sichern und natürliche Abläufe wie Geburt oder Urinieren zu gewährleisten.

Wie zeigen sich Dysfunktionalitäten?

Gerade eine Geburt fordert den weiblichen Körper enorm. Der Beckenboden ist durch die Anstrengung geschwächt oder verletzt, dazu kommt häufig ein Dammriss bzw. -schnitt. Inkontinenz betrifft weltweit circa 50–200 Millionen Menschen beider Geschlechter. Aufgrund von unangebrachter Scham und falschem Stolz liegen wenig aussagekräftige Zahlen vor. Sehr ähnlich verhält es sich bei der sexuellen Libido.

Haben auch Männer einen Beckenboden?

Egal ob Mann oder Frau, der Beckenboden ist für beide sehr wichtig, denn sowohl die Beckenboden- als auch die Muskelkorsettmuskeln sind durch Sehnen, Faszien usw. verbunden, arbeiten miteinander und bilden eine Brücke zwischen Rücken- und Bauchmuskeln. Durch gezieltes Training des Beckenbodens wird eine Basis geschaffen, um die gesamte Körperhaltung zu stabilisieren.

Körperwahrnehmung als erster Schritt

Bevor man den Beckenboden trainieren kann, müssen deine Teilnehmer lernen, wie man ihn anspannt und entspannt. Führe daher zunächst Wahrnehmungsübungen durch und gehe erst dann zu Kräftigungsübungen über.

Mit Beckenbodenaktivierung beginnen

Beim Anspannen oder Aktivieren der Muskeln sollte zuerst die Beckenbodenmuskulatur und danach das Muskelkorsett bzw. die Bauchmuskulatur aktiviert werden. Meist ist die Bauch- und Stützmuskulatur viel besser ausgeprägt und wenn diese einen Gegendruck auf die Beckenmuskulatur ausüben, drücken sie die Organe nach unten. Wirkt die Beckenbodenmuskulatur dem nicht entgegen, ist das extrem kontraproduktiv und ein Zusammenwirken aller Muskelgruppen wird nicht erreicht.

Startposition Beckenboden

Startpostion: Diese Übung eignet sich um die Körpermitte zu stärken und zu kräftigen.

Endposition Beckenbodenübung

Endpostion: Hand gegen Knie und Knie gegen Hand drücken und so die Kraft in der Körpermitte (BB und Stützmuskulatur) aufzubauen. BB ­aktiv anspannen.

Wahrnehmungsübung Beckenboden

In dieser Position ist der BB von jeglichem Druck nach unten entlastet und läßt sich so einfacher spüren und anspannen. Als Wahrnehmungsübung für den BB möglich.

AKADEMIE FÜR PRÄ- & POSTNATALES TRAINING

Was sind die Aufgaben des Beckenbodens?

  • Das Tragen der Organe
  • Das Heben der Organe und die Wirkung auf die Körper­haltung
  • Das reflexive Bewegen wie ein Trampolin bei Druckausübung auf Brust- oder Bauchraum
  • Das Öffnen und das Schließen von Körperöffnungen
  • Das Entspannen und das Anspannen bei Beckenbewegungen
  • Das Halten der Körperspannung, um die Wirbelsäule zu ­entlasten
  • Die sexuelle Funktion: pulsieren und entspannen

Beckenboden wahrnehmen und aktivieren

Für die Beckenbodenschulung setze dich auf einen harten Hocker oder Stuhl, die Füße stehen unter den Knien. Richte Schambein und Steißbein gleichmäßig Richtung Sitzfläche aus, richte den Rücken auf und entspanne den Schultergürtel.
Wir beginnen mit der untersten Beckenboden-Muskelschicht; sie umschließt die Körperöffnungen Scheide und After wie eine Acht. Verschließe beide Körperöffnungen, als würdest du zwei kleine Schwämme mit den Schließmuskeln vorsichtig auswringen.
Ausatmung: beide Körperöffnungen verschließen. Einatmung: Spannung lösen …
Ein paar Mal wiederholen, bis du ein gutes Gefühl für die unterste Beckenbodenetage hast. Diese Beckenbodenmuskeln sind am leichtesten zu erspüren.
Die mittlere Beckenbodenschicht verbindet die beiden Sitzhöcker. Wackle mal bei gerader Haltung auf dem harten Stuhl, dann fühlst du beide Sitzhöcker. Stell dir vor, wie du die Sitzhöcker zueinander ziehst; es bewegt sich kaum etwas, aber du spürst eine leichte Spannung zwischen den Sitzhöckern. Wichtig: Gesäßmuskeln locker lassen!
Ausatmung: Stell dir vor, die Sitzhöcker nähern sich dem Damm. Einatmung: die Sitzhöcker locker lassen …
Ein paar Mal wiederholen. Achte auf entspannte Gesäßmuskeln, das ist sehr schwierig.
Die oberste Beckenbodenschicht aktivieren wir durch Streckung und Aufrichtung im Rücken. Lass das Steißbein und das Schambein Richtung Stuhl sinken und ziehe den Scheitel Richtung Decke. Stell dir nun vor, du willst die Organe innerlich anheben. Spürst du etwas Anspannung im Unterleib?
Jetzt alle Muskelschichten zusammen: Ausatmung = beide Körperöffnungen verschließen, beide Sitzhöcker Richtung Damm aktivieren, Rücken strecken und innerlich die Organe anheben. Spannung und Halt in der Körpermitte spüren!
Einatmung = Rücken entspannen (ohne rund zu werden), Sitzhöcker locker lassen, Körperöffnungen öffnen. Spüre, wie die Spannung in der Körpermitte nachlässt.

Obere Muskelschicht Beckenboden

So aktivierst du die obere Muskelschicht:
Setze dich auf die Sitzhöcker, Schambein und Steißbein gleichmäßig Richtung Sitzfläche ausrichten. Becken ruhig halten und die Wirbelsäule nach oben strecken. Versuche, größer zu werden, stell dir vor, die Organe innerlich zu heben.

Mittlere Muskelschicht des Beceknbodens

So aktivierst du die mittlere Muskelschicht:
Setze dich aufrecht hin, spüre die Sitzhöcker auf der Sitzfläche, stell dir vor, du willst sie beide in Richtung Damm ziehen. Es ist mehr die Vorstellung, als dass sich wirklich etwas bewegt. Die ­Gesäßmuskeln bleiben locker.

Unterste Muskelschicht des Beckenbodens

So aktivierst du die unterste Muskelschicht:
Verschließe beide Körperöffnungen (After und Scheide), nicht zusammenkneifen, sondern mit sanftem Druck.

Diesen Artikel findest du im Trainer-Magazin 1/17, geschrieben von
Barbara Spritzendorfer | Die Autorin ist seit über 15 Jahren in der Fitnessbranche aktiv. Neben Ihrer Tätigkeit als Ausbilderin und Presenterin für die IFAA und Transatlantic Fitness und als Dozentin der Akademie für Prä- und Postnatales Training führt sie ihr eigenes Fitness Studio.
www.barbara-spritzendorfer.com; Instagram: Fitandhealthybarbara, Facebook: /barbara.spritze

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