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Schnittstelle von Medizin und Fitness

Schnittstelle von Medizin und Fitness

Welche Herausforderungen und Potenziale gibt es? |

Welche Herausforderungen gibt es an der Schnittstelle von Medizin und Fitness für die Beteiligten? Luise Walther beleuchtet dazu unterschiedliche Perspektiven und beschreibt, wie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aussehen könnte.

Um den Status quo vereinfacht darzustellen, kann man die Perspektiven der drei beteiligten Akteure einnehmen, die sich in diesem Spannungsfeld bewegen. Neben der Kundschaft, die Dienstleistungen und Angebote in Anspruch nimmt, sind das im Bereich des ersten und zweiten Gesundheitsmarktes die Akteure in Medizin/Gesundheitswesen und Fitness/ Training.
Wie so oft treffen dabei unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen aufeinander. So wollen Kunden über Behandlungsoptionen informiert und sachlich aufgeklärt werden. Dabei geht es darum, bisheriges Wissen mit neuen Erkenntnissen zu ergänzen und die eigene Gesundheitskompetenz zu erhöhen. Ziel ist hier immer, die Selbstwirksamkeit zu steigern. Wie diese Wissensvermittlung verständlich und nachhaltig gestaltet werden kann, ist äußerst relevant. Hierfür muss seitens des ersten Gesundheitsmarktes berücksichtigt werden, wie viele Informationen ein Patient dafür benötigt. Was kann abgerechnet werden, welche medizinischen Indikationen sind vorhanden und wie kann die Kommunikation auf der nächsten Ebene, also in der Therapie oder im Training, vereinfacht gemacht werden? Denn nur wenn die Weiterbehandlung garantiert beziehungsweise der richtige Übergang in das eigenständige Training gewährleistet wird, kann der Gesundheitszustand langfristig aufrechterhalten und optimiert werden. Und genau da setzt der zweite Gesundheitsmarkt an: mit der Herausforderung, Kunden zum Training zu Hause zu motivieren und vorab an genügend Informationen über den Gesundheitszustand des Trainierenden zu kommen, um diesen realistisch einschätzen zu können. Und natürlich spielt auch die Skalierbarkeit von Angeboten und Dienstleistungen in beiden Märkten eine Rolle.
Es gilt also, die Bedürfnisse und Herausforderungen einander gegenüberzustellen und daraus innovative Konzepte zu entwickeln, die zukunftsfähig sind in Bezug auf Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Empowerment und Kundennutzen im Sinne von Gesundheit und Wohlbefinden.

AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN

Was sind aktuelle Herausforderungen, denen wir uns im Bereich Medical Fitness stellen müssen?

Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel ist im Gesundheitswesen besonders deutlich bemerkbar. Dadurch ist eine personalisierte Beratung und Aufklärung von Betroffenen oftmals nur ungenügend und schwer umsetzbar. Sowohl Kliniken als auch Praxen sind überlaufen, es gibt lange Wartezeiten. Die Mehrbelastung durch Corona hat die Lage noch verschärft. bestehenden Präventionsangebote sind oftmals zu wenig individuell und scheitern häufig schon an der erforderlichen Analyse und Ersterfassung des gesundheitlichen Zustands.

Nicht skalierbare Dienstleistungen
Einzelne Experten haben bisher keine Möglichkeit, ihre Dienstleistung entsprechend zu skalieren; sie bieten zwar exzellente 1:1-Betreuung an, können diese aber nicht einer breiteren Masse zugänglich machen. Damit bleibt viel Potenzial auf der Strecke.

Erschwerter Zugang zu Gesundheitsexperten und mangelnder Verfügbarkeit passender Gesundheitsangebote
Der Fachkräftemangel ist im Gesundheitswesen besonders deutlich bemerkbar. Dadurch ist eine personalisierte Beratung und Aufklärung von Betroffenen oftmals nur ungenügend und schwer umsetzbar. Sowohl Kliniken als auch Praxen sind überlaufen, es gibt lange Wartezeiten. Die Mehrbelastung durch Corona hat die Lage noch verschärft. bestehenden Präventionsangebote sind oftmals zu wenig individuell und scheitern häufig schon an der erforderlichen Analyse und Ersterfassung des gesundheitlichen Zustands.

Hoher Innovations- und Digitalisierungsbedarf
Das Gesundheitswesen und der Fitnessbereich haben einen hohen Bedarf an Innovation und Digitalisierung. Die Coronapandemie hat offengelegt, dass es hier viel Nachholbedarf gibt, um Patienten und Kunden einerseits zu binden und zufriedenzustellen und sie andererseits selbstwirksam in ihrer Gesundheitskompetenz zu unterstützen. Analoge Angebote nur zu digitalisieren, reicht dabei nicht aus. Es benötigt ein Umdenken in der Branche und besonders an der Schnittstelle von Medizin und Fitness. Veraltete Konzepte in digitale Formen zu packen, kann und wird nicht die Lösung sein.

Fehlende Kundenzentrierung und mangelndes Empowerment
Viele Angebote basieren eher auf Abrechnungsmodalitäten statt auf Kundennutzen. Individuelle Herausforderungen wie Zeitmangel, Motivationsdefizite und Ängste, sich falsch oder nicht zielführend behandeln zu lassen oder zu trainieren, werden nur unzureichend angesprochen. Eine Verschiebung der Work-Life-Balance, fehlende Energie oder mangelndes Selbstvertrauen, die persönlich passenden Angebote herauszufiltern, vermindert die Selbstwirksamkeit der Betroffenen.

BESTEHENDE RISIKEN BERÜCKSICHTIGEN

Um neue Konzepte und Innovationen umsetzen zu können, muss man die damit einhergehenden Risiken kritisch überdenken. Neben dem Einsatz neuartiger Technologien, die es in den bestehenden Markt zu integrieren gilt und deren Akzeptanz auf Angebot- und Nutzerseite erreicht werden sollte, spielen auch sozioökonomische Faktoren eine Rolle. Um wirtschaftlich nachhaltige Konzepte zu realisieren, braucht es neben Agilität auch Durchhaltevermögen und Kommunikationsstärke. Um den Zugang zu neuen und hybriden Angeboten zu gewährleisten, müssen neben regulatorischen Kriterien natürlich auch der Datenschutz gewährleistet und die IT-Kompetenz erfüllt sein.

DAS POTENZIAL GEMEINSAM ENTWICKELN

Meine Vision von Medical Fitness ist es, die individuelle Gesundheitskompetenz jedes Einzelnen zu fördern. Dazu gehört, dass einerseits Menschen nicht mehr unnötigerweise zum Arzt vor Ort gehen müssen, sondern durch digitale Sprechstunden schnell und niedrigschwellig beraten werden und möglichst wenig Zeit verstreicht, bis sie wieder aktiv ihren Alltag gestalten können. Dafür braucht es einfach zugängliche Angebote. Hier können neben klassischen analogen Anlaufstellen digitale Lösungen und besonders hybride Modelle einen großen Mehrwert bieten. Mit entsprechender Logik kann hier schnell entschieden werden, in welcher Intensität, mit welcher Expertise und unter welchen Bedingungen eine Intervention notwendig ist oder das eigenständige Training durch entsprechende Aufklärung begonnen werden kann. Hauptaugenmerk sollte dabei immer auf der Vorbeugung und Reduzierung gesundheitlicher Risiken liegen. Gerade die Verfügbarkeit und auch die Effizienz von präventiven Maßnahmen können dadurch stark gesteigert werden. In der Rehabilitation gibt es sicherlich ebenso viel Potenzial, jedoch gilt hier auch noch einmal regulatorisch eine stärkere Individualisierung und Kontrolle. Anhand sogenannter Customer Journeys können so Muster in der Versorgung erkannt werden und anhand unterschiedlicher Grade an Individualisierung die Angebote angepasst werden. Hier bietet die Digitalisierung ungeahnte Möglichkeiten. Von Mustererkennung bis zu Empfehlungs-KI werden hier zukünftig hybride Modelle, die sowohl physische als auch virtuelle Elemente smart miteinander kombinieren, einen wesentlichen Vorteil haben. Dieser Differenzierungsfaktor im Vergleich zu rein analogen oder digitalen Angeboten kann mittel- und langfristig einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil schaffen.

Bereits aktuell ist erkennbar, dass die Grenzen zwischen den Bereichen Gesundheit, Sport und Wellness immer mehr verschwimmen. Es gibt auf vielen Ebenen ein Umdenken und es scheint möglich zu sein, dass daraus ein ganz neues System entstehen kann, das sich auf Gesundheit und Wohlbefinden fokussiert, statt zu differenzieren. Je mehr Austausch zwischen den betroffenen Akteuren entsteht, umso mehr Potenzial wird man nutzen können. Besonders am Übergang des ersten zum zweiten Gesundheitsmarkt, wobei Letzterer nach allgemeinem Verständnis freiverkäufliche Arzneimittel und individuelle Gesundheitsleistungen, Fitness und Wellness, Gesundheitstourismus sowie – zum Teil – die Bereiche Sport/Freizeit, Ernährung und Wohnen umfasst, kann die Qualität der Angebote verbessert und der Mehrwert für Kunden erhöht werden.

INTERDISZIPLINÄRE ZUSAMMENARBEIT

Um einen größtmöglichen Effekt zu erzielen, bietet es sich an, dass unterschiedliche Disziplinen in neuen Konzepten zusammenarbeiten und sich in dieser Zusammenarbeit gegenseitig ergänzen. Hier bietet sich die Co-Creation-Methode an, die alle Akteure involviert, um an der jeweiligen Problemstellung zu arbeiten. Durch diese Methode werden alle Ebenen in den Innovationsprozess eingebunden. Die Empathie und das Offensein für unterschiedliche und neue Perspektiven sind dabei Voraussetzungen für die Entwicklung eines gemeinsamen und strukturierten Verständnisses für die komplexen Problemstellungen, die diese Branche hat. Dadurch können Lösungsmöglichkeiten und Innovationen generiert und priorisiert werden. Projektbezogene Kompetenzen nach Bedarf einzubinden und die entstehenden Lösungen dabei immer wieder herauszufordern und kritisch zu reflektieren, macht innovative Angebote und Konzepte möglich. Dabei auf bestehenden Vorerfahrungen aufzubauen und vorhandenes Wissen und bereits existierende Kompetenzen aktiv einzubinden, ist die Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg.


LUISE WALTHER

Die Berliner Personal Trainerin arbeitet an der Schnittstelle zwischen Medizin und Fitness. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Individualisierung und Professionalisierung von Reha- und Trainingsprozessen mit Fokus auf Schmerzreduzierung und Bewegungsoptimierung ihrer Kunden.
www.neurozentriertestraining.de


Fotos: metamorworks – stock.adobe.com, Luise Walther

Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 6-2022:

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Mehr zum Thema Neuroathletik erfährst du im Buch von Luise Walther:

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