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Groupfitness

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Was machen gute Kurse für Senioren aus?

Die Anzahl älterer Menschen wird immer größer, daher werden Senioren als Zielgruppe für Trainer und Studios immer wichtiger. Veronika Pfeffer zeigt, wie Groupfitnesskurse konzipiert sein sollten, um ältere Teilnehmer zu motivieren und optimal zu fördern.

Fakt ist: „Die Alten sind nicht mehr das, was sie mal waren.“ Noch nie waren die Menschen in dieser Lebensphase wirtschaftlich so unabhängig und körperlich so fit. Und es werden immer mehr! Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung und der dramatisch zurückgehenden Geburtenrate kommt es in den Zivilisationsländern zu einem starken demografischen Wandel. Während 1990 in Deutschland 20,4 Prozent der Menschen 60 Jahre alt waren, werden es 2030 bereits 34,9 Prozent sein – 8,4 Millionen mehr. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines männlichen Neugeborenen beträgt bereits 78,5 Jahre, die eines weiblichen Neugeborenen sogar 83,4 Jahre. Es wird prognostiziert, dass sie bis 2030 um weitere zwei Jahre steigen wird.

GESUNDHEIT ALS ZENTRALES THEMA

Die heutigen 60-Jährigen sind biologisch betrachtet wesentlich jünger als die Generationen vor ihnen. Beim Marathon erreichen heute 60-Jährige die Bestzeit des Olympiasiegers von 1936. Als „alt“ wird man heutzutage erst bezeichnet, wenn man das 80. Lebensjahr überschritten hat. Ab 85 Jahren beginnt laut Definition das 4. Erwachsenenalter. Wir bezeichnen in diesem Beitrag als „Senioren“ die heutige Generation im 3. Erwachsenenalter (60–85 Jahre). Sie ist oft fit und gesund, wofür die verbesserte medizinische Versorgung sowie die wirtschaftlich höhere Unabhängigkeit mit verantwortlich sind. Die heutigen Senioren werden als lebenslustig, mobil und positiv gestimmt bezeichnet. Sie sind länger aktiv, genießen ihr Leben und erfüllen sich lang gehegte Wünsche. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist Gesundheit, die daher das zentrale Thema dieser Generation ist.


Senioren

      • Keine Gruppe profitiert gesundheitlich so stark von regelmäßiger körperlicher Aktivität wie Menschen über 60.
      • In keiner Gruppe ist der Anteil der tatsächlich Sporttreibenden (noch) so gering.
      • In keiner Gruppe sind die unterindividuellen Unterschiede bzgl. Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit so groß wie bei den über 60-Jährigen.
      • Pauschalisierte Instrumente (z. B. Altersformel) greifen in dieser Gruppe nicht.
      • Das Risiko inadäquater körperlicher Belastung steigt mit dem Alter

HETEROGENE GRUPPE

Es gibt – außer in der Pubertät – kein Lebensalter, in dem die Leistungsfähigkeit eine so große Spannbreite aufweist. Vom Senioren-Wettkampfsportler bis hin zu Menschen mit starken Bewegungseinschränkungen durch Vorerkrankungen und mangelnder Fitness ist hier alles vertreten. Sehen wir uns jedoch Fitnessstudiokunden in dieser Altersgruppe an, dann kann man diese Senioren, die wir fokussieren, als durchschnittlich aktiv bezeichnen. Dennoch weist die Leistungsfähigkeit eine hohe Bandbreite auf. Daher muss sich der Instruktor an die jeweilige Gruppe anpassen und mit Methoden arbeiten, die Differenzierungen der Übungen und Intensitäten zulässt – und diese Differenzierungen müssen von der Gruppe gut nachvollziehbar sein. Ein Koordinationstraining ist hierfür besonders gut geeignet.

KÖRPERLICHE VERÄNDERUNGEN BEIM ALTERN

Sarkopenie ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten Veränderungen; gelingt es, diesen mit fortschreitendem Alter zunehmenden Abbau von Muskelmasse und Muskelkraft aufzuhalten oder nur zu verlangsamen, werden dadurch viele andere körperlichen Veränderungen positiv beeinflusst. Der Abbau beginnt zwar schon früh, jedoch machen sich die Auswirkungen erst mit 60 bis 70 Jahren bemerkbar. Bereits ab dem 30. Lebensjahr wird bei Inaktivität jährlich 1 Prozent Muskelmasse abgebaut, ab dem 50. Lebensjahr sind es sogar schon 2 Prozent, sodass man mit ca. 80 Jahren nur noch 40 Prozent der ursprünglichen Muskelmasse aufweist. Die Folgen eines Muskelmasseverlusts sind vielseitig. Weniger Kraft bedeutet weniger Lebensqualität im Alter, daraus folgend sinkende Bewegung im Alltag; ebenso begünstigt dies andere altersbedingte Erkrankungen wie Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen sowie Arthrose. Sarkopenie ist seit Kurzem sogar als Krankheit anerkannt. Aber wir kennen nicht nur das Gegenmittel gegen Muskelmasseverlust, sondern sind darin auch die Experten: Krafttraining! Krafttraining ist die Medizin gegen zahlreiche altersbedingte Erkrankungen – angefangen bei der Sturzprophylaxe bis hin zur Vorbeugung gegen das metabolische Syndrom oder auch Blasenschwäche.


Effekte des Hypertrophietrainings

      • Kraftzuwachs
      • Sicherung der Gelenke und Wirbelsäule
      • Verbesserte Versorgung der Gelenkstrukturen und des passiven Bewegungsapparates.
      • Verbesserung des Knochenstoffwechsels, Erhalt der Knochendichte
      • Verbesserte Haltung
      • Prävention und Linderung von Gelenkerkrankungen
      • Positive Beeinflussung der Psyche
      • Erhöhung der Lebensqualität

GEEIGNETE TRAININGSFORMEN

Wie im letzten Absatz beschrieben, sollten wir in unser Seniorenprogramm unbedingt Krafttraining integrieren. Um die Sarkopenie aufzuhalten, muss ein Hypertrophietraining ausgeführt werden. Ich empfehle dafür 8–16 Wiederholungen mit einer individuell entsprechenden hohen Intensität.

Darüber hinaus spielt das Koordinationstraining eine wichtige Rolle. Ab dem 40. Lebensjahr nehmen die koordinativen Fähigkeiten ohne kontinuierliches Training langsam ab. Die Bewegungen werden allgemein unsicherer und benötigen viel Kraft, da das Zusammenspiel von Muskulatur und Nervensystem die notwendige Reaktionsschnelligkeit verringert hat. Koordination ist die Grundlage für (fast) alle anderen sportmotorischen Fähigkeiten wie Kraft, Beweglichkeit und Schnelligkeit. Durch ein Koordinationstraining wird nicht nur die Kraftfähigkeit optimiert, sondern auch der Gleichgewichtssinn (Sturzprophylaxe), die Tiefenmuskulatur (gegen Rückenbeschwerden oder bei Blasenschwäche) und vor allem die Lebensqualität durch gesteigertes Körperselbstbewusstsein: „Ja, ich kann das!“ Ein solches Training sollte Gleichgewichts- und Reaktionsübungen, Übungen zur Körperwahrnehmung, lockere Sprünge oder Hüpfer und Übungen in Spielform beinhalten.


Vermieden sollten im Seniorentraining;

      • Bodenübungen (je nach Fitnesszustand der Gruppe)
      • Pressatmung – weise explizit auf eine richtige Atemtechnik bei statischen Übungen und drückenden Bewegungen hin und passe die Intensität an
      • Intensives Herz-Kreislauf-Training

SOZIALE ASPEKTE

Für viele Ruheständler ist der Gang ins Fitnessstudio auch eine Möglichkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Dies kannst du als Trainer fördern, indem du im Rahmen der Vorinstruktion Zeit lässt für Kommunikation unter den Teilnehmern und diese ggf. durch gezielte Fragen oder Denksportaufgaben anregst. Im Kurs eignet sich ein Unterrichten in Kreisform, Spielform und mit Partnerübungen. Die Musik sollte dabei so leise sein, dass Unterhaltungen möglich sind. Nach dem Kurs bietet es sich an, gezielt nach Feedback zu fragen – möglichst in Form von offenen Fragen; ein anschließendes Zusammensein der Teilnehmer sollte ermöglicht werden. Ich kenne viele Clubs, in denen die Seniorengruppe im Anschluss bei Kaffee, Mineraldrink oder sogar mitgebrachtem Kuchen den Kurs ausklingen lässt. Eine kommunikative, lockere Atmosphäre, persönliche Ansprachen und Spaß sollten den gesamten Kurs begleiten.

EXEMPLARISCHER STUNDENABLAUF

Im Folgenden skizziere ich einen exemplarischen Stundenablauf für eine Groupfitnesseinheit für Senioren.

1. Begrüßung und Vorinstruktion, kleine Denksportaufgaben im lockeren Austausch.

2. Einfaches, lineares Warm-up mit viel Mobilisation, einfachen Gleichgewichts- und Körperwahrnehmungsübungen

3. Spielform

Kleine Spiele, also leicht erlernbare Formate mit geringem Wettkampfcharakter, haben, bedingt durch die vielseitigen Bewegungsanforderungen, immer einen großen Koordinationsanteil. Grundsätzlich müssen Unfallgefahren ausgeschaltet werden und die Spiele an die Teilnehmer angepasst sein, denn die Motivation ist hier ein grundlegender Faktor. Die Aufgaben des Kursleiters bestehen darin, das passende Spiel für die Gruppe auszuwählen, den präzisen Spielverlauf zu erklären, das Spiel im Fluss zu halten, bei Problemen lenkend einzugreifen und sich flexibel an die Bedürfnisse der Teilnehmer anzupassen, um eine gute Atmosphäre zu schaffen.

4. Kraft-/Koordinationsübungen

Du gestaltest einen flüssigen Stundenablauf, indem du zwei Übungen für verschiedene Muskelgruppen bzw. sportmotorische Fähigkeiten im Wechsel anleitest (ähnlich einem Supersatz). Beide Übungen sollten in derselben Ausgangsposition sein, damit du flüssig zwischen beiden wechseln kannst. Zum Beispiel eine Kraftübung für die Beinmuskulatur wie Squats gefolgt von einee Gleichgewichtsübung wie dem Malen einer 8 im Einbeinstand. Oder eine Kraftübung wie Beckenheben in Rückenlage und eine Körperwahrnehmungsübung wie „Knie anziehen, Hände auf die Knie und den Rücken am Boden kreisen lassen“. Ebenso kann man sehr gut eine Kraftübung wie Kreuzheben mit einer Mobilisierung wie „Katze-Kuh“ im Stand als Supersatz machen.

Die Übungen sollten überwiegend im Stand ausgeführt werden, weil dies eine höhere Relevanz für den Alltag hat. Für die Zielgruppe ist es evtl. schwierig, zwischen Boden und Stand zu wechseln, daher sollte der Bodenteil auf das Ende des Kurses gelegt werden. Koordinationsübungen erfordern mehr Konzentration und sollten daher am Anfang der Stunde eingeplant werden. Es empfiehlt sich, pro Trainingseinheit nur 1–2 Kleingeräte zu verwenden. Integriere zudem

  • Kraftübungen vor allem Kraftübungen vor allem für die Streckschlinge (z. B. Kreuzhebebewegung oder adäquate Kniebeugen), den oberen Rücken, die Abduktoren, die armstreckende Muskulatur, Stützübungen (alles als Sturzprophylaxe), Core-Muskelübungen, auch für den M. transversus und die Beckenbodenmuskulatur
  • Koordinations-, Gleichgewichts-, Propriozeptions- und Körperwahrnehmungsübungen
  • Alltagsrelevante Übungen wie das Heben und Tragen von Gegenständen, Treppensteigen auf einem Step, Gegenstände über Kopf heben, aus dem Vierfüßlerstand aufstehen etc.

5. Stundenausklang, Entspannung und ggf. sanftes Dehnen inkl. Verabschiedung, Wissensvermittlung oder Wellnesstipps

ANSPRECHENDE KURSBESCHREIBUNG

Wichtig ist zudem, Kursen für Senioren einen attraktiven Namen zu geben. Keiner möchte in den „Fit over 50“-Kurs oder die „Best Ager Class“. Lasse die Angabe des Alter außen vor und wähle ansprechende Namen, wie z. B. „Vitality“, „Fit & Vital“, „Best Fitness“ oder Ähnliches. Diese Bezeichnungen signalisieren, dass Menschen jeder Altersstufe in diesem Kurs willkommen sind.


VERONIKA PFEFFER

Die Diplom-Sportwissenschaftlerin ist seit fast 25 Jahren als Referentin, Beraterin und Buchautorin in der Fitnessbranche tätig. Sie hat verschiedene Lehraufträge, u. a. an der IST Hochschule für Management, und ist für den Groupfitnessbereich von Fitness First Germany verantwortlich.ie Diplom-Psychologin ist Leiterin des Lehrstuhls für Sportpsychologie am Institut für Sport und Sportwissenschaft an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg.

www.veronikapfeffer.de


Fotos: 27336374 – stock.adobe.com, Veronika Pfeffer

Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 2-2023:

 

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