Anzeige

Ernährung und mentale Gesundheit

Ernährung und mentale Gesundheit

Ernährungsintervention gegen psychische Erkrankungen

Dr. Andreas Petko stellt Behandlungsmöglichkeiten und den Zusammenhang zwischen Ernährung und psychischer Gesundheit vor.

Die Bedeutung der Ernährung wird häufig vernachlässigt, obwohl sie tiefgreifende Auswirkungen auf die geistige Gesundheit, auf kognitive Funktionen und das Gehirn hat. Dabei zeigt die Forschung, dass psychische Störungen häufig in Verbindung mit Stoffwechselerkrankungen stehen. Psychische Erkrankungen nehmen immer mehr zu und herkömmliche therapeutische Interventionen stoßen an ihre Grenzen. Ein Grund dafür könnte sein, dass psychische Störungen bisher oft als eigenständige Krankheitsbilder betrachtet wurden. In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung jedoch vermehrt Daten ermittelt, die darauf hindeuten, dass psychische Erkrankungen in signifikantem Zusammenhang mit Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus, Übergewicht, Alzheimer, Herzrhythmusstörungen oder Epilepsie stehen.

Diese Untersuchungen führen zu einem neuen Verständnis für die Ursachen von psychischen Störungen und somit auch zu neuen Behandlungsmöglichkeiten. Psychische Erkrankungen sollten unter anderem als Stoffwechselstörungen des Gehirns betrachtet werden. Interessant daran ist, dass Menschen, die unter psychischen Störungen leiden, zunehmend Maßnahmen erwarten können, die sich aus Ernährung, Bewegung, Stressabbau, Schlafmanagement und Reduzierung des Alkohol- sowie Nikotinkonsums zusammensetzen.

Viele Menschen sind jedoch der Meinung, dass Medikamente (oft in Kombination mit Gesprächstherapie und verhaltensorientierenden Maßnahmen) die beste Lösung für ein „psychisches Ungleichgewicht“ darstellen oder notwendig sind. Psychische Störungen können jedoch eine Vielzahl von Ursachen haben – eine schlechte Ernährung wird in der Regel hierbei aber nicht berücksichtigt. Es ist kein Geheimnis, dass Ernährung eine wichtige Rolle bei Fettleibigkeit, Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf- Erkrankungen spielt. Weniger bekannt ist jedoch, dass sie auch tiefgreifende Auswirkungen auf die geistige Gesundheit und das Gehirn hat.

ZUSAMMENHANG ZWISCHEN ERNÄHRUNG UND PSYCHISCHER GESUNDHEIT

In den letzten Jahren wurden viele neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Ernährung und psychischer Gesundheit gewonnen. Dabei handelt es sich nicht nur um statistische, sondern vor allem um physiologische Zusammenhänge. Es wurde zum Beispiel festgestellt, dass die neuronalen Schaltkreise, die den Appetit und das Essverhalten steuern, direkt mit der Abhängigkeit von Tabak, Alkohol oder Heroin verbunden sind. Gleiches gilt für die Schaltkreise, die Einsamkeit und Hungergefühl regulieren. Darüber hinaus konnten spezifische neuronale Schaltkreise identifiziert werden, die unmittelbar an Fettleibigkeit, Angst und Depression beteiligt sind. Es ist auch bekannt, dass intermittierendes Fasten die allgemeine Gesundheit und kognitive Fähigkeiten verbessern kann. Dies ist größtenteils auf die Mitochondrien zurückzuführen. Durch Fasten profitiert insbesondere der Hippocampus, eine Hirnregion, die eine wesentliche Rolle bei Depressionen, Angstzuständen und Gedächtnisstörungen spielt. Der Grund dafür scheint eine verbesserte GABA-Rezeptoraktivität im Gehirn zu sein. GABA ist ein Neurotransmitter, der sich an Nervenzellen bindet und die Nervenimpulsleitung senkt, wodurch Übererregbarkeit reduziert wird und wir uns entspannter fühlen. Wenn jedoch gezielt die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigt wird, wird dieser Mechanismus vollständig heruntergefahren.

DIE ROLLE DER ERNÄHRUNG

Doch inmitten der psychischen Belastungen ist es für viele Menschen entmutigend, sich mit den vielfältigen Informationen im Bereich der Ernährung auseinanderzusetzen. Es gibt so viele widersprüchliche Aussagen wie „Kohlenhydrate sind schlecht für die Figur, aber wir brauchen sie für das Gehirn“, „Unsere Lebensmittel sind voller Giftstoffe, daher sollten wir biologisch essen und Nahrungsergänzungsmittel nehmen“, „Wer keine Antioxidantien zu sich nimmt, kann Entzündungen nicht kontrollieren“ und „Bei einer gestörten Darmflora sind Probiotika die Lösung“.

Grundsätzlich lassen sich die Ursachen für psychische Störungen in vier Kategorien zusammenfassen:

  • Mangel an Vitaminen und essenziellen Nährstoffen
  • Giftstoffe und Allergene in der Nahrung
  • Ungesunde Lebensmittel (Punkt 1 und 2 sind Voraussetzung)
  • Ein gestörtes Darmmikrobiom

NAHRUNGSKARENZ UND KETOSE ALS MÖGLICHE INTERVENTIONSMÖGLICHKEITEN

Das Fachgebiet der Ernährungsintervention für psychische Störungen wird als „Ernährungspsychiatrie“ bezeichnet und gewinnt zunehmend an Bedeutung. In der Fachwelt ist bekannt, dass neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer mit der Anhäufung von fehlgefalteten (mutierten, toxischen oder unnötigen) Proteinen zusammenhängen, die eine negative Auswirkung auf die Zellfunktion haben (Quelle 3). Neuere Studien zeigen, dass beispielsweise intensive körperliche Belastung oder Fasten den Abbau solch überflüssiger Proteine stimulieren kann. Der zugrunde liegende Mechanismus ist derselbe wie bei medikamentösen Therapien (Quelle 4). Diese Studien belegen, dass der Körper in der Lage ist, den gleichen Prozess auf natürliche Weise durchzuführen.
Fasten und körperliche Belastung können zu einer Ketose führen, einem Stoffwechselzustand, der zunehmend zur Vorbeugung und Behandlung von neurologischen Erkrankungen eingesetzt wird. Daraus lässt sich ableiten, dass die ketogene Diät – eine Ernährungsform, die den Zustand des Fastens nachahmt, ohne vollständig auf Nahrung zu verzichten – ein effektives Mittel zur Zellsanierung darstellt. Die Erkenntnisse aus zahlreichen Fallbeispielen und Untersuchungen legen nahe, dass die Grundprinzipien der ketogenen Diät vielversprechend sind, um die mentale Gesundheit aufrechtzuerhalten. Interessanterweise findet dieser Prozess ausschließlich in den Mitochondrien statt, was die Bedeutung der Erhaltung der Gesundheit dieses Zellbestandteils hervorhebt.

KETOGENE DIÄT ALS ERNÄHRUNGSFORM FÜR MENTALE GESUNDHEIT?

Die ketogene Diät ist eine Ernährungsform, die einen hohen Fettanteil, moderate Mengen an Protein und sehr wenig Kohlenhydrate beinhaltet. Sie wurde 1921 von dem Arzt Russell Wilder entwickelt, um Epilepsie zu behandeln. Obwohl die ketogene Diät seit über einhundert Jahren untersucht wird, besteht immer noch häufig die Meinung, dass es sich lediglich um einen ungesunden „Notfallmodus“ des Körpers handelt. Bei der Ketose wandelt der Körper Fette aus der Nahrung in Ketonkörper um, die als primäre Energiequelle genutzt werden. Die Ketose stellt somit eine alternative Form des Energiestoffwechsels zur Glucoseverwertung dar.
Menschen, die mit voller Energie in den Tag starten, mental ausgeglichen und motiviert bleiben und abends müde ins Bett fallen, weisen in der Regel eine hohe metabolische Flexibilität auf. Metabolisch flexible Menschen können zwischen der Verstoffwechslung von Fetten und der Verstoffwechslung von Zucker je nach Verfügbarkeit und Bedarf umschalten. Wenn man jedoch über Jahre hinweg eine kohlenhydratreiche Ernährung mit einem hohen Anteil an industriell verarbeiteten Transfetten und viel Zucker („Junkfood“) zu sich genommen hat, kann das Gehirn allmählich eine Insulinresistenz entwickeln. Insulin ist ein Hormon, das für die Aufnahme von Zucker in die Zellen benötigt wird. Mit der Zeit kann die Insulinsensibilität abnehmen, was zu einem Energiemangel im Gehirn führen kann. Die Folgen sind Heißhunger und ein beeinträchtigtes Wohlbefinden aufgrund einer verringerten Wirkung des „Wohlfühlhormons“ Dopamin im Gehirn. Darüber hinaus zeigt die neurowissenschaftliche Forschung, dass eine ketogene Ernährung die Calciumregulation und die Genexpression beeinflusst, Gehirnentzündungen reduzieren kann, die Insulinsensibilität erhöht, den Blutzuckerspiegel senkt und das Darmmikrobiom verändert.

Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass der Zustand der Ketose zwei wesentliche Prozesse maßgeblich beeinflusst:

  • Autophagie: Dabei handelt es sich um einen Recyclingmodus der menschlichen Zellen, bei dem insbesondere alte und geschwächte Mitochondrien abgebaut werden (Mitophagie).
  • Mitochondriale Biogenese: Es werden neue leistungsstarke Mitochondrien gebildet.

Neben der ketogenen Diät zeigen auch verschiedene Formen des intermittierenden Fastens positive Effekte auf die mentale Gesundheit. Beim intermittierenden Fasten wird die Nahrungsaufnahme auf ein begrenztes Zeitfenster pro Tag reduziert, während man den Rest des Tages fastet.

ERNÄHRUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR MENTALE GESUNDHEIT

Im Folgenden werden konkrete Empfehlungen gegeben, worauf man bei der Ernährung achten sollte, um seiner mentalen Gesundheit etwas Gutes zu tun. Es ist wichtig zu beachten, dass die ketogene Diät eine Möglichkeit ist, sich „gehirnfreundlich“ zu ernähren, aber nicht die einzige. Wenn man sich dafür entscheidet, sollte man sie über mehrere Wochen oder Monate konsequent befolgen. Fallbeispiele zeigen, dass viele Menschen die Vorteile erst dann zu schätzen lernen, wenn sie feststellen, wie sich ihre mentale Verfassung verschlechtert, sobald sie die positiven Effekte nicht mehr spüren. Es ist auch wichtig zu verstehen, dass die ketogene Diät in erster Linie nicht zur Gewichtsreduktion, sondern zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dient; das Schmelzen von Fettdepots ist eine Folge davon. Bei der Verteilung der Makronährstoffe wird oft ein Verhältnis von Fett zu Eiweiß und Kohlenhydraten von 3:1 oder 4:1 empfohlen. Das bedeutet, dass auf 1 g Kohlenhydrate oder Eiweiß 3 oder 4 g Fett kommen. Es ist auch wichtig zu beachten, dass der Erfolg einer ketogenen Diät nicht zwangsläufig auf die Reduktion von Kohlenhydraten zurückzuführen ist; daher liefert eine kohlenhydratarme Diät nicht immer die gleichen Ergebnisse.

Wovon sollte man mehr essen?

  • Für ein mentales Wohlbefinden wird häufig die Wichtigkeit von Serotonin (Hormon und Neurotransmitter) betont, das wiederum aus der Aminosäure Tryptophan gebildet wird. Tryptophan findet sich in signifikanten Mengen in Pute, Huhn, Fisch, Eiern und Tofu. Leidet der Organismus jedoch unter einem hohen Entzündungsgrad, kann Tryptophan auch zu Kynurenin und Kynureninsäure umgebaut werden, was bei mental angeschlagenen Personen eher zu Unruhe führen kann.
  • Omega-3 aus Meeresquellen wirkt entzündungshemmend und enthält die essenzielle Fettsäure DHA (Docosahexaensäure). Sie ist eine mehrfach ungesättigte Fettsäure, die mit der Nahrung aufgenommen werden muss und neuroprotektiv wirkt. Besonders ertragreiche Quellen sind fetter Fisch und Algenöl (wichtig: nicht Algen).
  • Die B-Vitamine sind unabdingbar für die Funktionalität des Nerven- und Immunsystems. Da die wenigsten B-Vitamine eine Speicherform im Körper haben, müssen sie regelmäßig konsumiert werden. Aufgrund der Tatsache, dass viele Menschen immunologische Schwächen mitbringen, sollten aktivierte B-Vitamine aufgenommen werden. Diese befinden sich in Blattgemüse (Feldsalat, Rucola, Spinat, Mangold), aber auch in Samen, Nüssen, Eiern und Milchprodukten.
  • Polyphenole sind sekundäre, bioaktive Pflanzenstoffe. Sie wirken entzündungshemmend und schützen die Blutgefäße sowie die Nervenzellen. Sie gehören nicht zu den Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen und kommen vorwiegend in Vollwertgetreide, Gemüse und Früchten (z. B. Oliven, Beeren) vor. Für die mentale Gesundheit ist ein polyphenolreiches Olivenöl empfehlenswert, das daran zu erkennen ist, dass es im Hals kratzt und zumeist teuer ist.

Wovon sollte man weniger essen?

  • Am schlechtesten für die (mentale) Gesundheit ist die Kombination aus industriellen Transfetten und raffiniertem Zucker. Alle Arten von Junkfood sollten möglichst gemieden werden. Transfette sind oxidierte Fettsäuren und sorgen für oxidativen Stress. Zucker im Übermaß senkt die Insulinsensitivität und wirkt einer metabolischen Flexibilität entgegen.
  • Ein Überschuss an gesättigten Fetten sollte vermieden werden. Diese sind überwiegend in tierischen Produkten zu finden. Wenn Fleisch verzehrt wird, sollte bei fettem Fleisch auf Weidehaltung geachtet werden, weil es zum einen weniger Fett absolut enthält und zum anderen einen deutlich höheren Omega-3-Anteil hat.
  • Alkohol, Nikotin und ein Übermaß an Koffein wirken neuroinflammatorisch und neurotoxisch und sollten reduziert werden.

Es ist wichtig zu beachten, dass eine ausgewogene Ernährung und individuelle Bedürfnisse berücksichtigt werden sollten. Es wird empfohlen, einen Ernährungsexperten oder einen spezialisierten Arzt zu konsultieren, um die individuell richtige Ernährung für die mentale Gesundheit zu bestimmen. Durch ein ganzheitliches Verständnis und gezielte Ernährungsinterventionen können neue Behandlungsoptionen gegen psychische Störungen entwickelt werden.


DR. ANDREAS PETKO

Sport- und Gesundheitswissenschaftler, Koordinator des Allgemeinen Hochschulsports der Universität Würzburg sowie TMX® MASTER.

www.drandreaspetko.de


Quellen:
DOI: 10.1002/oby.22065
DOI: 10.4088/JCP.19ac12727
DOI: 10.1038/nm1066
DOI: 10.1073/pnas.1809254116
DOI: 10.1097/MED.0000000000000564


Fotos: anaumenko – stock.adobe.com

Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 4-2023:

 

Anzeige

Das könnte dich auch interessieren

Trainer – im Abo

NEUE-Ausgabe 2023-06

Jetzt kostenlos abonnieren!

News für Trainer

Anzeige