Anzeige

Mindset in der Physiotherapie

Mindset in der Physiotherapie

Neue Wege zur ganzheitlichen Betreuung

In der heutigen Zeit stehen wir in der Physiotherapie vor neuen Herausforderungen, die eine grundlegende Veränderung des Mindsets sowohl beim Patienten als auch beim Physiotherapeuten erfordern. Sportphysiotherapeut und Athletiktrainer Marco Kaufmann beschreibt die Schlüsselfaktoren einer ganzheitlichen Betreuung von Patienten.

GOOD TO KNOW

Das Mindset (englisch) beschreibt die Geisteshaltung, Einstellungen und Überzeugungen einer Person, die ihr Denken, Verhalten und ihre Handlungen beeinflussen. Im Deutschen wird das Wort häufig ohne Übersetzung übernommen, um seine Konnotation zu erhalten.

PHYSIS UND PSYCHE: ANALYSE UND EIGENWAHRNEHMUNG

Eine entscheidende Rolle spielt das Verständnis der psychischen und physischen Einflüsse, die, je nach individuellen Zielen und Umständen, auf den Sportler oder Patienten einwirken. Die Analyse und Wahrnehmung dieser Zusammenhänge ermöglicht eine gezielte und nachhaltige Therapie, indem sie uns besser verstehen lassen, wie sich diese Einflüsse auf unsere Biomechanik auswirken. Gleichzeitig spielt die Eigenwahrnehmung des Patienten eine elementare Rolle, da ein Bewusstsein für Defizite und Probleme seine Motivation und aktive Teilnahme an der Genesung stärkt.

PASSIV MEETS AKTIV: DIE EIGENAKTIVITÄT FÖRDERN

 Passive Maßnahmen wie Manuelle Therapie und Osteopathie haben ihre Berechtigung. Sie können in bestimmten Situationen hilfreich sein, um zum Beispiel akute Schmerzen zu lindern und Bewegungseinschränkungen oder Funktionsstörungen zu beheben. Sie können auch dazu dienen, eine Grundvoraussetzung für Aktivitäten zu schaffen, indem sie dem Sportler eine verbesserte Bewegungsfreiheit ermöglichen. Bevor man zu passiven Techniken greift, sollte geprüft werden, ob der Patient durch gezielte Aktivität Schmerzen reduzieren kann. Der richtige Umgang mit Schmerz und das richtige Verständnis von Schmerz sind jedoch hierbei entscheidend. (siehe Schmerzmanagement: Vertrauensvolle Kommunikation). Auch spielt die aktive Beteiligung des Patienten eine entscheidende Rolle im Rehabilitationsverlauf. Wichtig ist hierbei, den Fokus stärker auf Selbsthilfemaßnahmen zu legen, um ihn zu befähigen, aktiv an seiner Genesung mitzuwirken. Dies fördert sein Selbstbewusstsein und stärkt die Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit. Durch die sinnvolle Kombination von passiven und aktiven Maßnahmen sowie die Integration von gezieltem Krafttraining können somit nachhaltige Therapieerfolge erzielt und die Rehabilitation optimiert werden.

Auch die Studienlage belegt, dass ein strukturiertes und progressives Krafttrainingsprogramm die muskuläre Stärke und Funktion verbessern kann. Eine Untersuchung von Winters et al. (2022) befasste sich mit der Rehabilitation von Knieverletzungen und zeigte, dass Patienten, die an einem solchen Training teilnahmen, eine frühere Rückkehr zur normalen Aktivität erlebten. Eine Meta-Analyse von Smith et al. (2021) bestätigte, dass gezieltes Krafttraining bei der Behandlung von Rückenschmerzen eine effektive und nachhaltige Therapieoption darstellt. Neben der Schmerzreduktion konnte durch das Training die Beweglichkeit verbessert und die Lebensqualität der Patienten erhöht werden.

DIE BELASTUNGSFRAGE: DAS RICHTIGE VOLUMEN UND INTENSITÄTSSTEUERUNG

 Fehlendes Trainingsvolumen und eine unpassende Belastungsintensität sind in der Rehabilitation und in der medizinischen Trainingstherapie weit verbreitet. Das hat häufig zur Folge, dass Patienten nach der Rehabilitation noch nicht beschwerdefrei sind und Bewegungseinschränkungen aufweisen, die sich im Alltag und bei Aktivität bemerkbar machen. Unsere internen Untersuchungen des Athletics And Health Instituts zeigen, dass betreute Kunden oft bis zu sechs Wochen früher in ihre Aktivitäten zurückkehren können, wenn das Belastungsmanagement individuell angepasst wird.

Zudem führt beruflicher Stress und, häufig daraus resultierend, mangelnde Zeit für Selbstfürsorge zu einem erhöhten Cortisolspiegel, welcher wiederum die Regeneration und Wundheilungsphase ebenfalls negativ beeinträchtigen kann. Eine Studie von Dhabhar et al. (2009) untersuchte die Auswirkungen von Stresshormonen wie Cortisol auf die Wundheilung und fand heraus, dass chronischer Stress eine verzögerte Wundheilung verursachen kann.

Die gezielte Erhöhung und Steuerung von Volumen und Intensität im Training und in der (medizinischen Trainings-) Therapie können einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, dass Patienten eine schnellere und nachhaltigere Genesung erfahren und die gewünschten Ergebnisse erzielen. Eine unzureichende Belastung, vor allem zu Beginn der Rehabilitation kann zu einem längeren Genesungsprozess führen.

SCHMERZMANAGEMENT: VERTRAUENSVOLLE KOMMUNIKATION

 Ein effektives Schmerzmanagement ist ein essenzieller Bestandteil einer ganzheitlichen Betreuung von Patienten in der Rehabilitation und medizinischen Trainingstherapie. Dem Patienten Sicherheit zu vermitteln, wie er mit seinem Schmerz umgehen kann und welche Schmerzen er beim Training oder im Alltag tolerieren kann, steht im Fokus. Viele Therapeuten, Trainer und Ärzte sind aus Erfahrung hierbei verunsichert, da Schmerzmanagement oft nicht ausreichend in der Ausbildung oder im Studium gelehrt wird.

Es ist wichtig, dem Patienten klar zu kommunizieren, dass Schmerz nicht immer ein Zeichen von Schädigung oder Gefahr ist, sondern ein Körpersignal, um auf Belastungen oder Umwelteinflüsse zu reagieren. Durch eine offene und einfühlsame Kommunikation sowie einer klaren Erklärung des Schmerzgeschehens, kann der Patient Sicherheit gewinnen und ein besseres Verständnis dafür entwickeln, wie er seinen Schmerz bewerten und damit umgehen kann.

Die Rolle des Therapeuten, Trainers oder Arztes geht jedoch über das bloße Verständnis von Schmerz hinaus. Wir haben die Aufgabe, den Patienten zu ermutigen, proaktiv Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen und sich mit der Anatomie seines Körpers vertraut zu machen. Indem der Patient die Zusammenhänge zwischen seinen Alltagseinflüssen und seiner körperlichen Gesundheit besser versteht, kann er bewusste Entscheidungen für seinen Genesungsweg treffen und gezielt an seinen Zielen arbeiten.

Es ist essenziell, dem Patienten klarzumachen, dass er selbst eine aktive Rolle in seiner Rehabilitation und Genesung einnehmen kann.

„Wir haben die Aufgabe, den Patienten zu ermutigen, proaktiv Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen.“

DIE ZUKUNFT: MESSEN UND ANALYSIEREN

 Die Zukunft der Physiotherapie liegt meines Erachtens in einer verstärkten Messung und Analyse, um individuelle Erfolge in der Therapie zu erzielen. Fortschrittliche Technologien wie zum Beispiel Wearable Devices und Sensoren bieten uns die Möglichkeit, relevante Daten zu sammeln und den Genesungsprozess unserer Patienten objektiv zu evaluieren. Nehmen wir zum Beispiel innovative Sensoren, die in Kleidung oder Ausrüstung eingebettet sind. Diese Sensoren sind in der Lage, Bewegungsmuster, Muskelaktivität und sogar biometrische Daten wie Herzfrequenz und Atemmuster zu erfassen. Auf diese Weise erhalten wir ein umfassendes Bild davon, wie der Körper auf Belastungen und Übungen reagiert.

Das Ziel der Rehabilitation selbst sollte es sein, die vorhandenen Defizite sichtbar zu machen und die Wahrnehmung des Patienten zu schulen, wie weit er vom gewünschten Ziel entfernt ist. Dies ermöglicht eine gezielte Therapie und beschleunigt den Genesungsprozess.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Prävention von Verletzungen und Rückfällen durch die frühzeitige Erkennung von Defiziten und Dysbalancen. Durch das adäquate Monitoring können Risikofaktoren identifiziert und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.

Darüber hinaus spielt Monitoring im Bereich Ernährung und Mikronährstoffe eine wichtige Rolle, zum Beispiel die  Zufuhr von Aminosäuren und Proteinen. Eine angemessene Proteinversorgung unterstützt die Reparaturprozesse und den Aufbau von Muskelgewebe, was zu einer verbesserten Funktion und einem schnelleren Genesungsprozess führen kann. Eine Studie von Johnson et al. (2023) belegt die Bedeutung einer adäquaten Proteinaufnahme für den Muskelaufbau während der Rehabilitation.

Die Kombination aus fortschrittlichem Monitoring, individueller Analyse und gezielter Therapie bietet die Möglichkeit, maßgeschneiderte Behandlungspläne zu entwickeln und langfristige Erfolge für die Patienten zu sichern.

FAZIT: SCHLÜSSELFAKTOREN FÜR DIE REVOLUTION DER PHYSIOTHERAPIE

 Die ganzheitliche Betreuung von Patienten erfordert ein Umdenken und eine Veränderung des Mindsets, um die Physiotherapie auf ein neues Level zu heben. Folgende Schlüsselfaktoren sind dabei essenziell für den Therapieerfolg:

  • Die Berücksichtigung der psychischen und physischen Einflüsse.
  • Die aktive Beteiligung des Patienten am Genesungsprozess.
  • Eine gezielte Volumen- und Intensitätssteuerung.
  • Die effektive Kommunikation zwischen Therapeuten und Patienten.
  • Ein verstärkter Einsatz von Messung- und Analysetools.
  • Ein besseres Verständnis für Bewegungslehre und Biomechanik.

Ein Umdenken und eine Verbesserung in der Rehabilitation sind dringend erforderlich, um den Patienten eine effektivere und nachhaltigere Rehabilitation zu ermöglichen. Indem wir diese Aspekte integrieren und immer auf dem neuesten Stand der Forschung bleiben, gestalten wir die Zukunft der ganzheitlichen Physiotherapie nachhaltig und leisten einen bedeutsamen Beitrag zur Gesundheit und Leistungsfähigkeit unserer Patienten.

BIOMECHANIC MOVEMENT CONCEPT

Diese integrative Fortbildung wurde von den Sportwissenschaftlern, Sportmedizinern und Sportphysiotherapeuten des Athletics And Health Instituts in München entwickelt und bietet die Möglichkeit, innovative Therapiemethoden an den Schnittstellen zwischen Physiotherapie, Orthopädie und Sportwissenschaft kennenzulernen sowie ein interdisziplinäres Verständnis für Bewegungslehre zu entwickeln.

www.athleticsandhealth.com/bmc-konzept

MARCO KAUFMANN
ist Athletiktrainer, Heilpraktiker, Sportphysiotherapeut (DOSB), Mental Coach und Gesundheitscoach für Regenerative Medizin. Seine Expertise gibt er als Gründer und CEO des Athletics And Health Instituts für ganzheitliche Gesundheit weiter.

www.athleticsandhealth.com


Fotos:  Jacob Lund – stock.adobe.com


Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 5-2023:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

QUELLEN: PubMed
Untersuchung Winters et al. (2022): Rehabilitation von Knieverletzungen
Meta-Analyse Smith et al. (2021) gezieltes Krafttraining stellt bei der Behandlung von Rückenschmerzen eine effektive und nachhaltige Therapieoption dar
Studie Dhabhar et al. (2009) Auswirkungen von Stresshormonen wie Cortisol auf die Wundheilung
Studie Johnson et al. (2023) belegt die Bedeutung einer adäquaten Proteinaufnahme für den Muskelaufbau während der Rehabilitation
Anzeige

Das könnte dich auch interessieren

Trainer – im Abo

NEUE-Ausgabe 2023-06

Jetzt kostenlos abonnieren!

News für Trainer

Anzeige