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Sport nach Covid-19

Sport nach Covid-19

Rückkehr zu Aktivität und Training

Die Coronafallzahlen sind gerade in den Wintermonaten enorm gestiegen. Die Krankheit ist tückisch und verläuft unterschiedlich schwer – oftmals sogar symptomfrei und von den Betroffenen völlig unbemerkt. Wie gelingt nach der Genesung der Wiedereinstieg in körperliche Aktivität und Bewegung – auch unter Berücksichtigung möglicher Langzeitfolgen?

Die Coronapandemie stellt die Welt auf eine harte Probe. Nicht nur die Gesundheitssysteme, sondern alle Bereiche des öffentlichen Lebens werden vor große Herausforderungen gestellt. Auch im Hinblick auf die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit sind unsere Mediziner und Sportwissenschaftler nun gefragt, den „Return to work and sports“ nach einer Covid-19-Infektion systematisch zu gestalten. In Deutschland sind es derzeit circa 2,23 Millionen genesene Covid-19-Patienten (Stand: Februar 2021) – die Zahl ist stetig steigend. Bald werden es weit noch mehr Menschen sein, die nach überstandener Krankheit wieder zu ihrer gewohnten Leistungsfähigkeit zurückkehren möchten.

LANGZEITSCHÄDEN

Neuere Studien deuten darauf hin, dass nach einer Covid-19-Infektion eine Vielzahl an Komplikationen und Langzeitschäden auftreten kann. Viele Patienten, die sich nach einer akuten Erkrankung erholten, weisen einige anhaltende Symptome auf. Gesundheitsbehörden versuchen immer noch, die Häufigkeit solcher Langzeiteffekte bei Covid-19-Patienten abzuschätzen. Einige der am häufigsten berichteten Symptome sind:

  • Schmerzen in der Brust,
  • Husten,
  • Schmerzen in den Gelenken,
  • wiederkehrendes Fieber,
  • Muskelschmerzen,
  • Müdigkeit,
  • Depressionen und Angstzustände

Unter den vielen gesundheitlichen Komplikationen, die mit Covid-19 einhergehen, ist die Entzündung der Herzmuskulatur, die Myokarditis, die häufigste. Außerdem sind Durchfall, Übelkeit und Kurzatmigkeit die hauptsächlichen Auswirkungen, die eine Belastungssteigerung behindern.
Aufgrund der häufig auftretenden Folgeproblematiken am Herzen ist die kardiologische Untersuchung von größter Bedeutung für den Schutz der Betroffenen. Einer der wichtigsten Tests bei der medizinischen Beurteilung von Sportlern ist ein Langzeit-EKG zum Ausschluss von Herzrhythmusstörungen und -erkrankungen. Andere Untersuchungen, die bei längeren Krankheitsverläufen dringend empfohlen werden, sind das transthorakale Echokardiogramm, die Spiroergometrie und bei schweren Verläufen bzw. fehlenden Vorbefunden das Cardio-MRT.

RETURN-TO-WORK&SPORTS

Um die kardiologischen und respiratorischen Risiken nach einer Infektion gering zu halten, wird die Wiederaufnahme des Trainings nach vorliegenden Richtlinien systematisch und unter medizinischer und/oder sportwissenschaftlicher Aufsicht empfohlen. Du kannst dich dabei an den Richtlinien der Forschungsgruppe Elliott et al. orientieren – einer wissenschaftlichen Gruppe, die sich mit ihrem Return-to-Work&Sports-Protokoll (siehe Abbildung 1) auf die Re-Integration von Athleten nach Covid-19-Erkrankungen fokussiert hat.
Diagnostik vor Beginn der Belastungssteigerung:
Der Return-to-Work&Sports richtet sich in erster Linie an Erkrankte nach leichten und moderaten Krankheitsverläufen. Doch auch nach diesen vermeintlich milderen Verläufen gilt es, das Risiko einer Schädigung des Herzmuskels, einer Myokarditis, sehr ernst zu nehmen. In den Medien wurde über den Fall des Eishockeynationalspielers Janik Möser berichtet, der an einer coronabedingten Herzmuskelentzündung litt. Mittlerweile gibt es weitere bestätigte Fälle der Myokarditis als Spätfolge einer Coronainfektion.

MYOKARDITIS

Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskels, die nicht auf eine Ischämie (Blutmangel) zurückzuführen ist. Zu den offensichtlichsten Symptomen gehören:

  • Kurzatmigkeit,
  • Gelenkschmerzen,
  • Schmerzen in der Brust,
  • Schwellungen in den Beinen und/oder Füßen,
  • Müdigkeit.

Die Diagnose einer Coronavirus-assoziierten Myokarditis ist medizinisch sehr anspruchsvoll. Die Myokarditis wird meist durch eine virale Infektion verursacht. Es wird daher vermutet, dass sie bei Covid- 19-Patienten auf eine direkte Infektion des Herzens (Myokard) durch das neuartige Coronavirus zurückzuführen ist. Eine aktuelle Studie zeigt, dass SARS-CoV-2 tatsächlich den Herzmuskel angreift und sowohl Entzündungen, als auch den Zelltod verursachen kann.
Anamnese des Patienten: Der erste Schritt bei der Diagnose einer Myokarditis ist die Analyse der vollständigen Anamnese der Symptome. Obwohl die Symptome von Person zu Person variieren, berichten Betroffene häufig über Schmerzen in der Brust und ein Engegefühl bei Aktivität und Anstrengung. Eine verminderte Belastungstoleranz und wiederkehrende Brustschmerzen sind zwei wichtige Symptome. Schwere Fälle zeigen sogar Anzeichen einer bestehenden Herzschädigung (Herzinsuffizienz oder kardiogener Schock).
Elektrokardiogramm (EKG): Ein Elektrokardiogramm wird sehr häufig eingesetzt, um Veränderungen am Herzen zu beobachten. Es ist dank der neuen mobilen EKG-Geräte ein leicht durchzuführendes Verfahren. Ein Elektrokardiogramm gibt Ärzten einen Einblick in die PQRST-Kurve des Herzens (Herzstromkurve). Dieses Untersuchungsverfahren hilft den Kardiologen dabei, Anzeichen einer Myokarditis zu erkennen. Zu diesen gehören:
• vermehrte Dicke der Herzwände,
• Ausdehnung der Herzkammern,
• Perikarderguss (Flüssigkeitsansammlung)
Bildgebung: Eine erfolgreiche Screening-Methode für eine Myokarditis ist das Cardio-MRT. Dieses Verfahren wird von der Taskforce des Deutschen Eishockey-Bundes und der DEL bei fehlender Diagnosesicherheit empfohlen.

SCHRITT FÜR SCHRITT

Aus ärztlicher Sicht werden die folgenden Diagnostikmaßnahmen vor der Wiederaufnahme von intensiven körperlichen Belastungen dringend empfohlen:
1. Körperliche Untersuchung: Abhören von Herz und Lunge, grobe neurologische Untersuchung
2. Apparative Diagnostik: Ruhepuls, Blutdruck, Messung Körpertemperatur, Ruhe- EKG (idealerweise im Vergleich zu Vorbefunden vor der Infektion mit Covid-19), gerne auch Daten von Wearables zur Verlaufskontrolle u. a. der Herzfrequenz und Schlafdaten, ggf. Langzeit-EKG, Lungenfunktionstest
3. Labordiagnostik: Blutwerte (CRP-Wert, LDH, Troponin, D-Dimere, Leberwerte, Harnstoff, Kreatinin)
Bei schwerwiegenden Covid-Krankheitsverläufen mit Krankenhausaufenthalt sollten zusätzlich die folgenden Untersuchungen erfolgen:
• Labordiagnostik für die Parameter Ferritin, PCT, IL-6 und
• apparative Diagnostik mithilfe von Echokardiografie, Spiroergometrie (idealerweiseim Vergleich zu Vorbefunden vor Covid-19), Bodyplethysmografie (die sog. „große Lungenfunktion“), ggf. auch ein Cardio-MRT.
4. Step-by-step: Das Return-to-Work & Sports- Management ist ein systematisches Programm zur schrittweisen Wiederhinführung zur sportlichen Aktivität und Leistungsfähigkeit nach einer Covid-19- Erkrankung. Vor dem Einstieg in die schrittweise Steigerung der Leistungsfähigkeit sollte der Patient
• mindestens zehn Tage vollständig geruht haben,
• mindestens sieben Tage am Stück symptomfrei sein,
• fähig sein, einfache Alltagsaktivitäten ohne Ermüdungserscheinungen oder Kurzatmigkeit ausführen zu können,
• keine Medikamente zur Behandlung der Erkrankung mehr einnehmen.

DER WEG ZURÜCK ZUM TRAINING

Achtung: Sollten Symptome wiederkehren oder Erschöpfungserscheinungen festzustellen sein, sollte von einer Fortführung des Trainings abgesehen und wieder in die Ruhephase übergegangen werden! Während der gesamten Zeit sollte die Ruheherzfrequenz täglich dokumentiert sowie mögliche Symptome und das subjektive Belastungsempfinden beobachtet werden. Ein moderater Wiedereinstieg ins Training gliedert sich idealerweise in folgende vier Phasen:
1. Phase (direkt nach Symptombeginn bzw. nach positivem test): ruhepause (mindestens zehn tage lang). hier sollten sie auf jegliche art von körperlicher belastung verzichten. gesundheitsfördernde maßnahmen wie eine ausgewogene ernährung, viel schlaf und ausreichend zu trinken unterstützen den genesungsprozess. praxisbeispiel: bei der u20-eishockey-wm 2020/21 in kanada wurde von allen spielern ein symptomtagebuch geführt und jeden tag der ruhepuls registriert, zusätzlich die temperatur und der blutdruck gemessen. eine leichte mobilisierung war den spielern möglich, etwa yoga. zudem wurde ein neuartiges 1-kanal-24-stunden-ekg genutzt. mit einem messsystem konnte getestet werden, wie das herz-kreislauf-system, die atmung, die hrv und der schlaf auf die infektion und später dann auf die langsame wiederbelastung reagieren – denn zu den symptomen gehören auch ein erhöhter ruhepuls und eine schnellere atmung. die hrv war erniedrigt und die schlafqualität erwartungsgemäß vermindert. wichtig war das einholen von zweitmeinungen mittels telemedizin.

2. Phase (nach sieben symptomfreien Tagen): leichte Aktivität an mindestens zwei Tagen. Alltagsaktivitäten wie Spazieren gehen, Rad fahren oder leichtes Joggen können wieder aufgenommen werden. Achte dabei auf eine moderate Herzfrequenz und eine kurze Belastungszeit von ca. 15 Minuten. Bei der Eishockey-WM wurden bei den Spielern eine 15-minütige Belastung auf einem Spinning-Rad zugrunde gelegt, um zu sehen, wie der Körper auf diese Belastung reagiert. Um einen guten Vergleich zu haben, waren hier Vorwerte nötig, die aus dem Training vorlagen. Bei jedem Spieler wurde genau auf den Herzschlag geachtet und die Werte wurden festgelegt. Zusätzlich wurde die Ein-Minuten-Regeneration des Pulses beobachtet, denn je leistungsfähiger und gesünder jemand ist, desto schneller beruhigt sich auch der Puls. All das wurde dann mit der subjektiven Einschätzung des Sportlers verbunden, für die es die sogenannte Borg-Skala als Referenz gibt. Am Ende wurde bewertet, ob die 70 Prozent maximale Herzfrequenz tatsächlich auch einer 70-prozentigen Belastung entsprachen. Diese Phase dauerte zwei Tage. Im positiven Fall geht der Athlet in die nächste Phase über – wenn nicht, bleibt er dort bzw. wird unter Umständen zurückgestuft.

3. Phase: Aktivitäten steigern (mindestens vier Tage). Einfache Bewegungsroutinen, die den Körper stabilisieren und mobilisieren, oder leichte Trainingseinheiten in der bereits vor der Erkrankung ausgeführten Sportart können integriert werden. Dabei sollte zunächst die Dauer (von 30 bis maximal 60 Minuten) und erst im Anschluss die Intensität der Aktivität gesteigert werden.

4. Phase: Rückkehr zur normalen Aktivität. Frühestens ab dem 17. Tag ist der Körper ausreichend erholt, um zur vollen körperlichen Belastung zurückzukehren. Starte also nicht zu übereifrig, um eventuelle Rückfälle und gesundheitliche Schäden zu vermeiden.

DIE QUINTESSENZ

Alles in allem ist eine umfassende medizinische Untersuchung in Verbindung mit einer stufenweisen Wiederbelastung der beste Weg, um die Rückkehr zur Aktivität nach einer Covid-19-Infektion zu planen. Da das Virus zweifellos hochansteckend ist und jeder unwissentlich zum Überträger werden kann, ist eine gründliche und regelmäßige medizinische Untersuchung ein Muss für jeden Sportler. Idealerweise gibt es zu allen wichtigen Biomarkern und Parametern Vorbefunde aus Zeiten bester Gesundheit.


DR. LUTZ GRAUMANN

ist Sportmediziner und betreut Militärs, Spitzensportler und Klienten aus der Industrie. Er ist der aktuelle Präsident der „International Association of Performance Medicine“. Seine Publikationen erscheinen regelmäßig in nationalen und internationalen Fachmagazinen. www.sportmedizin-rosenheim.de

KATHARINA BRINKMANN

ist Gesundheitswissenschaftlerin M.A. und arbeitet als Yogalehrerin in München. Sie ist als mehrfache Buchautorin (Riva Verlag) bekannt, ist als Referentin tätig und hat sich auf die Bereiche Yoga, Entspannung, Stressmanagement spezialisiert. www.nambaya.com 


Fotos: Dr. Lutz Graumann; Katharina Brinkmann; Alex from the Rock – stock.adobe.com


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