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SUPPLEMENTS RICHTIG EINSETZEN

SUPPLEMENTS RICHTIG EINSETZEN

Was der Körper wirklich braucht

David Klinkhammer zeigt auf, wie sich ein Nährstoffmangel im Arbeitsalltag bemerkbar macht, was von Nährstoffscreenings zu halten ist und wann der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll ist.

Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen und Müdigkeit sind nur einige der Beschwerden, mit denen Beschäftigte zu kämpfen haben und die ihren Arbeitsalltag erschweren. Hinzu kommen Krankheitserreger, die das Immunsystem schwächen. Die Hauptursache für Krankmeldungen sind akute Infektionen der oberen Atemwege (Grobe und Bessel 2022).

ERNÄHRUNGSBEWUSSTSEIN AM ARBEITSPLATZ

Eine ausgewogene Ernährung kommt sowohl der körperlichen als auch der geistigen Gesundheit zugute (Farhadi und Ovchinnikov 2018). Die damit aufgenommenen Nährstoffe sind auch maßgeblich für unsere Leistungsfähigkeit verantwortlich (Drewnowski 2020). Bis auf wenige Ausnahmen können diese nur über die Nahrung aufgenommen werden. Die Konsequenz einer unausgewogenen Ernährung ist ein Nährstoffmangel, der sich möglicherweise in den eingangs skizzierten Symptomen äußert.
In der Regel nehmen Beschäftigte mindestens eine Mahlzeit während der Arbeitszeit zu sich. Auf eine ausgewogene Ernährung sollte deshalb auch am Arbeitsplatz geachtet werden. Aber in Sachen gesunde Ernährung besteht an deutschen Arbeitsplätzen noch Optimierungsbedarf, wie eine Studie der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2021 feststellte. Lediglich 2,3 Prozent der insgesamt 10 955 befragten Beschäftigten erreichten die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) hinsichtlich des Obst- und Gemüseverzehrs (fünf Portionen am Tag). Fast 40 Prozent der Beschäftigten erreichten die von der DGE empfohlene Wassermenge von 1,5 Litern pro Tag nicht (Walter et al. 2021). Dies hat zur Konsequenz, dass ein Mangel an essenziellen Nährstoffen und ein Flüssigkeitsdefizit besteht. Der leichte Zugang zu preiswerten, energiereichen, aber nährstoffarmen Nahrungsmitteln hat zu einer ungesunden Ernährungsweise geführt, die einen Mikronährstoffmangel, Übergewicht und Fettleibigkeit zur Folge hat (Drewnowski 2020). Eine entsprechende Aufklärung am Arbeitsplatz über die Bedeutung einer gesunden Ernährung hat in der Vergangenheit positive Ergebnisse erzielt, darunter eine Zunahme des Ernährungswissens, eine Steigerung des Gefühls der Selbstwirksamkeit, eine Verringerung des Risikoverhaltens sowie eine Verbesserung des Body-Mass-Index und der Biomarker im Blut (Rachmah et al. 2021).

DIAGNOSE EINES NÄHRSTOFFMANGELS

Ob tatsächlich ein Nährstoffmangel vorliegt, kann ein Arzt feststellen, indem er mittels eines umfassenden Blutbildes ein Nährstoffscreening vornimmt. Seit einigen Jahren gibt es auch private Firmen, die spezielle Screenings als Selbsttests verkaufen. Eine Blutprobe, ein Wangenabstrich oder eine Haarprobe ist ausreichend. Konserviert und in einem Briefumschlag eingepackt, geht das Gläschen mit der Probe in ein Labor. Dort werden umfangreiche Analysen vorgenommen. Im Austausch gegen die eigene DNA erfolgt dann eine bis zu 60-seitige Auswertung. Diese soll Aufschluss über das Nährstofflevel des Getesteten geben, Rückschlüsse auf einen möglichen Nährstoffmangel erlauben sowie Ernährungstipps beinhalten. Eine verlässliche Quelle sind diese Selbsttests jedoch nicht. So warnt die Verbraucherzentrale etwa vor stark schwankenden Ergebnissen bei den Testanbietern. Außerdem gehen die Ergebnisse meist mit direkten Kaufempfehlungen für Nahrungsergänzungsmitteln einher. Um ein objektives und aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, müssen weitere Parameter hinzugezogen und Testungen durchgeführt werden, die nur durch einen Arzt erfolgen können (Verbraucherzentrale 2022).

ERMITTLUNG VON GRUND- UND LEISTUNGSUMSATZ

Eine erste Einschätzung, ob eine Mangelernährung vorliegt, lässt sich aber auch über eine Ernährungsanalyse vornehmen. Hier werden zunächst mithilfe eines Anamnesebogens biometrische sowie gesundheits- und lifestylebezogene Daten aufgenommen und analysiert. Mit der Harris-and-Benedict-Formel (siehe Abbildung unten) soll der Grundumsatz (täglicher Kalorienverbrauch in Ruhe bzw. die Energiemenge, die der Körper bei völliger Ruhe für die Aufrechterhaltung seiner Lebensvorgänge benötigt) annäherungsweise berechnet werden können.
Multipliziert man den Grundumsatzwert mit dem PAL-Wert (Physical Athletic Level; Abbildung S. 45), erhält man den Leistungsumsatz. Der Leistungsumsatz ist die Energiemenge, die der Körper benötigt, um Arbeit verrichten zu können. Der Grundumsatz und der Leistungsumsatz ergeben zusammen den Gesamtenergiebedarf eines Menschen pro Tag. Diese Werte lassen zumindest eine ungefähre Einschätzung zu, wie viel Energie in Form von Kilokalorien pro Tag über Makronährstoffe, also Kohlenhydrate, Proteine und Fette, zugeführt werden sollten. Bei der Berechnung des Tagesumsatzes ist es wichtig, die einzelnen PAL-Werte auf 24 Stunden aufzuteilen. Acht Stunden Schlaf (0,95), zehn Stunden Büroarbeit (1,4) und sechs Stunden liegende/sitzende Tätigkeiten (1,2) ergeben dann einen Endwert (1,2), der mit dem Grundumsatz multipliziert wird.
Darüber hinaus finden sich auf der Seite der DGE auch Empfehlungen für den täglichen Makro- und Mikronährstoffbedarf bzw. die Flüssigkeitsmenge, bezogen auf das jeweilige Aktivitätslevel, Geschlecht, Gewicht und Alter. Mit diesen Informationen lässt sich bereits grob einschätzen, welche Energiemenge man täglich benötigt. Wer sich die Mühe macht, sein Essverhalten und die zugeführten Nahrungsmittel über mehrere Wochen in einem Ernährungsprotokoll zu erfassen, kann durch den Abgleich mit Lebensmitteltabellen relativ genau bestimmen, ob er den individuellen Ernährungsempfehlungen der DGE auch gerecht wird.

WANN SIND NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL SINNVOLL?

Nahrungsergänzungsmittel sind erst dann sinnvoll, wenn trotz einer ausgewogenen Ernährung Einschränkungen wahrnehmbar sind und ein Arzt tatsächlich einen Mangel an Mikronährstoffen feststellt. Nur dann ist eine Supplementierung von Mikronährstoffen (Vitaminen, Calcium, Eisen, Zink oder anderen Mineralstoffen) in Form von Tabletten überhaupt nötig.
Kopfschmerzen, chronische Müdigkeit sowie Magen- und Darmprobleme können aber auch auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit wie etwa eine Laktose- oder Glutenunverträglichkeit zurückzuführen sein (Prof. Blundell und Gieleta 2023). Immerhin gaben im Jahr 2021 zehn Prozent der 1 234 Befragten an, an einer Lebensmittelunverträglichkeit zu leiden, vier Prozent an mehreren (Statista 2021). Mangelnder Schlaf, Stress oder wenig Bewegung sind weitere Variablen, die über unseren Gesundheits- und Leistungszustand entscheiden (Houle et al. 2012; Hansch 2021). Hinzu kommen Umwelteinflüsse und temporäre Ereignisse, wie
z. B. die weibliche Monatsblutung, die mit einem erhöhten Eisenbedarf einhergehen (Mansour et al. 2021). Ein Eisenmangel ist eine der Hauptursachen einer Blutanämie, die zu chronischer Müdigkeit führen kann. Hier gilt es dann, die Ernährung kurzfristig anzupassen. Lebensmittel, welche die Eisenaufnahme hemmen, wie Brot, Milch, Kaffee und Müsli, sollten überwiegend aus dem Ernährungsplan gestrichen werden. Eine erhöhte Aufnahme von eisenhaltigen Lebensmitteln in Kombination mit Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln kann den Eisenbedarf sicherstellen. Hier können ergänzend Supplements sinnvoll eingesetzt werden. Eine Supplementierung von Vitamin D3 (wichtig für Muskelkraft und Knochenmineralisierung), das nur in Verbindung mit Sonnenlicht im menschlichen Körper synthetisiert wird, ist in der dunklen Jahreszeit sinnvoll (Bouillon et al. 2022). Vitamin-B12-Supplements, die vornehmlich über tierische Produkte zugeführt werden, können insbesondere bei einer veganen Ernährungsweise kognitive Funktionen positiv beeinflussen (Markun et al. 2021). Dies sind nur einige Beispiele dafür, wann der Einsatz von Supplements sinnvoll sein kann.

LEICHT VERDAULICHE NAHRUNG BEVORZUGEN

Damit wir im Alltag leistungsfähig bleiben, sollten die Mahlzeiten leicht verdaulich sein. Denn nach der Nahrungsaufnahme verändert sich die Blutzirkulation zugunsten des Verdauungsprozesses hin zu Leber, Magen und Darm. Die Folgen sind eine verringerte Durchblutung des Gehirns und ein Blutdruckabfall. Insbesondere schwer verdauliche Lebensmittel, etwa fett- und zuckerhaltige Produkte, sorgen für Trägheitsgefühle und das gefürchtete Mittagstief (Wells et al. 1997). Besonders kurzkettige Kohlenhydrate führen zu einem raschen Anstieg des Blutzuckerspiegels und zu einer vermehrten Ausschüttung des Hormons Insulin, was wiederum zu seiner raschen Absenkung führt. Kohlenhydrathaltige Lebensmittel sorgen für eine vermehrte Ausschüttung der essenziellen Aminosäure L-Tryptophan, die im zentralen Nervensystem zu dem Neurotransmitter Serotonin und dem Schlafhormon Melatonin umgewandelt wird; dadurch wird man müde. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass proteinreiche Produkte, die diese essenzielle Aminosäure enthalten, zu ähnlichen Effekten führen. Um den ganzen Tag produktiv zu bleiben, empfehlen sich daher kleinere, leicht verdauliche Mahlzeiten. Die Hälfte auf dem Teller sollten Gemüse und Hülsenfrüchte ausmachen, hinzu kommen ein Viertel Getreide, Nudeln, Kartoffeln und ein Viertel einer Eiweißquelle. Ein Verdauungsspaziergang an der frischen Luft unter Einfluss von Tageslicht schützt zusätzlich vor der postprandialen Müdigkeit (Slama et al. 2015).

FAZIT

Es macht Sinn, auftretende Beschwerden ganzheitlich zu betrachten. Vorliegende Symptome in Google zu recherchieren und Selbstscreenings über Rachenabstriche, Bluttropfen etc. liefern oftmals sehr unterschiedliche und wenig aussagefähige Ergebnisse. Die Hersteller dieser Tests haben ein Interesse daran, einen Nährstoffmangel festzustellen, um ihre Supplements zu verkaufen. Der Gang zum Arzt ist eher ratsam. Auch mithilfe eines detaillierten Ernährungsprotokolls kann die Ursache aufgetretener Beschwerden aufgrund einer einseitigen Ernährungsweise ermittelt werden.


DAVID KLINKHAMMER
ist leidenschaftlicher Sportler, Fitness- und Athletiktrainer, Ernährungsberater, Sportwissenschaftler sowie Tutor und Dozent an der Deutschen Sportakademie.


Fotos: LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com


Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 4-2023:

 

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